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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Versammlung eine Hypothese unterbreiten, die die jüngsten Ereignisse erklären und die Richtlinien unseres künftigen Handelns abstecken soll.
    Die tragischen Vorfälle am gestrigen Tage scheinen darauf hinzuweisen, daß die Bewohner des weißen Planeten blutdürstige Wesen sind, die sich bei ihren Handlungen von Impulsen leiten lassen, die für uns unbegreiflich sind. Ich weiß aus Gesprächen, daß viele unter euch so denken. Ich halte diese Ansicht für falsch. Wir wissen so gut wie nichts über diese Wesen, eines aber unterliegt keinem Zweifel: Sie sind intelligent. Interpretiert man ihr Handeln so, wie ich eingangs sagte, dann wird ihre Tat sinnlos. Dem Planeten nähert sich ein Raumschiff. Die Raketen, die es ausschickt, werden zum Teil vernichtet. Weshalb? Anfangs glaubte ich, wir hätten zuwenig Beweise, verfügten über zuwenig Tatsachenmaterial, um die Ereignisse im ganzen, das heißt nicht nur unser Verhalten, sondern auch das Verhalten der anderen Seite, rekonstruieren zu können. Das ist nicht der Fall.“
    Goobar schwieg einige Sekunden lang.
    „Gehen wir von den letzten Geschehnissen aus. In den oberen Schichten der Atmosphäre ist ein Kraftfeld entstanden, das neun unserer Raketen zerstört hat. Dies geschah in zwei Phasen. Zuerst traf dieses tragische Geschick die fünf Raketen der ersten Staffel und gleich darauf vier der zweiten. Die Rakete, die nur die Fernsehgeräte trug und als erste die Zone der Vernichtung durchflog, blieb unversehrt. Weshalb?“
    Goobar machte wieder eine Pause.
    „Alles was vorher und nachher geschah – die ständige Kontrolle unserer Bewegungen, das Schweigen auf unsere Funksprüche, die Präzision, mit der unsere Raketen zerstört wurden –, all das zwang mich, den Gedanken aufzugeben, daß die erste Rakete zufällig unversehrt blieb. Angesichts der Tatsache verhält sich die Sache wie folgt: Neun Raketen verdienten nach den Schlußfolgerungen der unbekannten Wesen vernichtet zu werden. Die erste wurde ausgenommen. Die Ursache hierfür ist zweifellos in dem Unterschied zwischen den vernichteten Raketen und der unversehrten Rakete zu suchen. Das kam mir anfangs sonderbar vor, denn die Raketen sind einander äußerlich sehr ähnlich. Der Unterschied – dieser Gedanke drängte sich mir unwillkürlich auf – bestand darin, daß die erste Rakete, im Gegensatz zu den anderen, unbemannt war. Daher tauchte noch einmal die eingangs von mir abgelehnte Vermutung auf, daß das Ziel des Handelns dieser Wesen die Tötung der Piloten war.“
    Von neuem schwieg Goobar einen Augenblick.
    „Woher wußten sie aber, daß die erste Rakete unbemannt war? Wie ich hörte, haben einige unter uns gemeint, es sei möglich, unsere Raketen auf große Entfernung zu durchleuchten. Das ist undenkbar. Die Raketen haben einen Panzer, der selbst für sehr harte Strahlen undurchdringlich ist. Will man ihn durchdringen, dann muß man ihn gleichzeitig zerstören. Wir können deshalb gar nicht in Betracht ziehen, daß die Raketen durchleuchtet wurden, und wir müssen die Schlußfolgerung ablehnen, daß es sich um ,blutdürstige‘ Wesen handelt.
    Kehren wir nun zum Ausgangspunkt zurück. Welcher Unterschied besteht zwischen den neun vernichteten und der unversehrten Rakete? Im Bau, in der Gestalt, in den technischen Einzelheiten gleichen sie einander. Es gibt eigentlich nur einen Unterschied: Die unbemannte Rakete ist beinahe dreimal so groß wie die anderen. Nun können wir uns den Ablauf der Ereignisse vorstellen: Dem Planeten nähern sich einige Staffeln Raketen. Die unbekannten Wesen beschließen: Wir vernichten die kleinen, die große greifen wir nicht an. Weshalb? Das wußte ich anfangs auch nicht. War ihnen etwas von uns bekannt, was ihnen nahelegte, nur so und nicht anders zu reagieren? Was wußten sie überhaupt von uns? Nur, daß sich ein Weltraumschiff ihrem Planeten näherte. Das wußten sie seit sechs Wochen, seit ihre Radargeräte die Gea entdeckt hatten. Als ich mit meinen Schlußfolgerungen soweit gekommen war, stutzte ich zum erstenmal. Weshalb trafen die Strahlen ihrer Radargeräte gerade damals unser Schiff? Gewiß, auch das konnte ein Zufall sein. Von einem Zufall kann man aber nur dann sprechen, wenn eine logische Verkettung von Ursache und Wirkung ausgeschlossen ist. Im vorliegenden Fall ist dies nicht sicher. Damals wurde behauptet, der Kegel der Radarwellen, in den wir gerieten, sei sehr schmal. Wie sehen die Dinge aus, überlegte ich weiter, wenn ich die Mathematik zu Hilfe

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