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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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auf den flachen Gipfel der Pyramide und rief einen Hubschrauber an. Eine Minute später tauchte er blumenbekränzt aus dem Dunkel auf und landete neben mir. Die Tür zu der hellen, leeren Kabine stand einladend offen. Aber sobald ich Platz genommen hatte und spürte, daß mich der Luftstrom in die Stadt trug, kamen mir neue Bedenken.
    Was, wenn ich Anna dort begegnete, wenn sie mich vor dem Abschied von der Erde lachen und tanzen sah? Schleunigst änderte ich die Flugrichtung. Bald verriet nur noch ein schwacher Lichtschein hoch oben in den Wolken die Stelle, an der Meoria meinen Blicken entschwunden war.
    Ich weiß nicht, wie lange ich ziellos ins Ungewisse flog. Von Zeit zu Zeit glitten unter mir Städte mit dem Netz ihrer in Licht getauchten Straßen wie helle Flecken in der nachtdunklen Landschaft vorüber. Mein Hubschrauber schwankte manchmal leicht im Wind, das Glas bedeckte sich mit den feinen Perlen kondensierten Wassers. Ein paarmal sah ich über mir flammende Sterne. Dann begannen sich in die Bilder dieses nächtlichen Fluges Traumgebilde zu drängen. Als ich wieder auf schreckte, flogen dichte Wolkenballen an den Scheiben vorbei, oben schwarz, unheildrohend, von unten her glänzend erleuchtet. Anfangs war ich der Meinung, daß ich mich einer großen Stadt näherte, und ging tiefer. Die Wolken traten auseinander, ich erblickte die Erde in Licht getaucht, jedoch weit und breit war keine menschliche Ansiedlung zu entdecken. Der Hubschrauber setzte mit einem leichten Stoß auf einer Rasenfläche auf. Ich stieg aus.
    Ich befand mich neben der Allee eines menschenleeren Parkes, den ein ruhiges, bläuliches Leuchten erfüllte. Fichtengruppen brannten wie kalte Magnesiumfackeln, die Pappeln hatten sich in hohe Leuchten verwandelt, und die Kronen der Kastanienbäume über mir flimmerten wie Nebelflecken am klaren Nachthimmel: Das Blattgrün leuchtete unter dem Einfluß der ultravioletten Strahlung aus den Emitoren. Jedes Blatt, jeder Stengel, jeder Grashalm wurde zu einer Quelle dieser geheimnisvollen Lumineszenz. Ich ging den Fußweg entlang, der aussah wie ein dunkler Bach zwischen glühenden Ufern, Tot, finster waren die Stämme, die Äste und, anders als am Tage, auch die Blüten. Dieses allgegenwärtige, über alles ausgebreitete Leuchten machte die ganze Umgebung unwirklich. Wehte ein Windhauch über die Bäume, die Rasenflächen und die Blumenbeete, dann zerstoben die reglosen Lichtsträuße in einem Funkenregen. Die lebenden Hecken flackerten wie Flammen, die hochragenden Baumgruppen neigten sich und glichen sinkenden, brennenden Schiffen.
    Ich gelangte auf meiner nächtlichen Wanderung durch diesen menschenleeren, phantastischen Park schließlich an eine von Rabatten umgebene Fontäne. In den emporschießenden und zurückperlenden Wasserstrahlen brach sich in allen Regenbogenfarben das Licht. Das Bassin war von einer Steinbank eingefaßt. Ich setzte mich und starrte in den Park. Die silbrigen Faltenwürfe der Baumkronen wurden von dem feinen Netzwerk der Äste wie von einem schwarzen Spitzentuch unterbrochen und gedämpft. Der lang ersehnte und entbehrte Schlaf kam zu mir. Ich begrüßte ihn wie einen Wohltäter. Die steinerne Bank unter freiem Himmel wurde zu einem weichen, bequemen Lager. Kaum hatte ich mich ausgestreckt, da fielen mir auch schon die Augen zu. Ich war mit meinem ganzen Sein im Nu jenseits von Leben, Raum und Zeit, im Traumland.
    …Ich lag auf dem sonnendurchglühten Sand am Strand. Es war Ebbe, das Meer zog sich zurück, nur einzelne Wellen kehrten wieder, übersprühten mich, verliefen sich im Sand. Eine letzte Welle berührte mich, glitt zurück – allein, verlassen, lag ich auf dem feuchten Sand, der auf einmal hart wie Stein war…
    Ich erwachte, öffnete die Augen. Leises Weinen drang an mein Ohr. Erstaunt hob ich den Kopf. Das Schluchzen kam ganz aus der Nähe. Steif, wie gerädert, erhob ich mich und ging um das Bassin. Auf der anderen Seite kauerte ein Kind auf der Steinbank, ein vielleicht vier Jahre alter Junge. Auf seinen Wangen glitzerten Tränen. Als er mich sah, hörte er auf zu weinen. Ich blieb, noch etwas schlafbefangen, verwundert vor ihm stehen. Eine Zeitlang sahen wir einander schweigend an, waren beide überrascht und nicht gerade froh gestimmt.
    Der Kleine war der erste, dem diese Situation langweilig wurde. „Was machst du denn hier?“ fragte er mit seiner rauhen, vom Weinen heiseren Stimme.
    Ich geriet in Verlegenheit. Es wäre schwierig gewesen, diese Frage

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