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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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zu beantworten. „Und was machst du hier?“ entgegnete ich deshalb und bemühte mich, meiner Stimme einen ernsten, schulmeisterlichen Klang zu geben.
    „Ich bin verlorengegangen.“
    „So… Wo sind denn deine Eltern?“
    „Ich weiß nicht.“
    „Wie bist du denn hierhergekommen?“
    „Ich bin hergeflogen.“
    Schließlich erfuhr ich, daß er mit seinen Eltern einen Ausflug gemacht hatte und unbedingt ein Pferd sehen wollte.
    „Was für ein Pferd?“
    „Das weißt du nicht? Ich dachte, du warst auch bei dem Pferd?“
    Wie sich herausstellte, grenzte der Park an einen zoologischen Garten. Der Kleine war mit seinen Eltern dort gewesen: aber das Pferd hatte er nicht zu sehen bekommen. Sein Vater hatte gesagt: „Wir müssen zurückfliegen. Setz dich in das Flugzeug. Unterwegs machst du bei dem Pferd einen Fernsehbesuch.“
    Er aber wollte das richtige Pferd sehen, wollte es unbedingt streicheln.
    Trotzdem kletterte er folgsam in das Flugzeug. Während die Eltern noch mit Bekannten sprachen, sprang er auf der anderen Seite wieder hinaus. Niemand hatte es bemerkt. Sein Armbandteleran, das durch die gleiche Radiowelle mit dem der Eltern verbunden war, so daß sie immer wußten, wo er sich aufhielt, hatte er schlauerweise vorher abgenommen und unter einem Sessel versteckt. Die Eltern hatten also geglaubt, er befände sich in einem anderen Teil der Maschine. Als das Flugzeug fort war, hatte er das Pferd besucht und war dann wieder in den Park gelaufen. Aber seine Eltern waren nicht mehr da. Inzwischen war es dunkel geworden. Die letzten Besucher hatten den Park verlassen. So irrte er allein umher, rief, aber niemand antwortete. Schließlich hatte er die Steinbank gefunden und versucht einzuschlafen.
    „Hast du dich gefürchtet?“
    Der Kleine antwortete nicht. Was sollte ich mit ihm machen? Ich fragte ihn, wo er wohne. Er wußte es nicht.
    „Wie viele Sonnen leuchten über deinem Haus?“ fragte ich nach einigem Überlegen.
    „Zwei.“
    „Zwei?“
    „Nein, eine.“
    „Also nicht zwei, nur eine?“
    „Eine.“
    „Bestimmt?“
    „Vielleicht.“
    Damit konnte ich nicht viel anfangen. Sollte ich ihn zum nächsten Flughafen bringen? Plötzlich unterbrach er meine Gedanken mit der Frage: „Bist du auch verlorengegangen?“
    „Nein. Wie kommst du darauf?“
    „Ich habe nur so gedacht.“
    „Dann hast du falsch gedacht. Erwachsene gehen nicht verloren“, sagte ich energisch, um einer unerwünschten Wendung unseres Gesprächs zuvorzukommen. Der Kleine sah mich unverwandt an, aber er schwieg. Auf einmal begann er laut zu husten. Das entschied die ganze Angelegenheit. Ja, es gab keinen anderen Ausweg. Ich wußte nun, was zu tun war, obwohl ich mich niemals in einer derartigen Lage befunden hatte. Ich hüllte den Kleinen in die Joppe und griff nach dem Teleran. Als ich es aus der Tasche ziehen wollte, fühlte ich einen runden Gegenstand – den goldgelben, wie mit blausilbrigem Mohn bestreuten Ball, den ich auf dem Raketenbahnhof aufgehoben und eingesteckt hatte. Ich gab ihn dem Jungen und tastete nach dem kleinen Knopf am Rande des Teherans, der von roten Buchstaben eingefaßt war, die die Worte „alle Wellenbereiche“ bildeten. Ich drückte darauf. Aus dem kleinen Apparat drang ein Gewirr von Lauten und Geräuschen – menschliche Stimmen, das rasch aufeinanderfolgende Pfeifen automatischer Sendestationen, Signale ferner Raumschiffe und Kontinente, das tiefe Brummen von Raketensendern, Wortfetzen, Musik und Gesang. Zu einem millionenstimmigen Lärm verschmolzen, drang es aus dem flachen Gerät. Ich beugte mich über den Apparat Und sprach leise, damit der Kleine es nicht hörte, die beschwörenden Worte: „Achtung, Achtung, Mensch in Gefahr.“ Ich wiederholte sie dreimal und wartete. In dem kleinen Lautsprecher vibrierte etwas, wuchs, zog immer weitere Kreise, als hätte jemand einen Stein in ein uferloses Gewässer geworfen. Zehntausende, Hunderttausende Stimmen und Geräusche verstummten. Die Signale, daß meine Meldung erwartet wurde, ertönten. „Achtung, wir schalten auf Empfang. Achtung, Empfang!“
    Einer fragte noch etwas, da und dort tackten noch rasche Folgen von Sendeimpulsen. Inzwischen übertrugen die Translationsstationen meine Worte weiter. Ich hatte den Eindruck, das Echo der eigenen Stimme zu hören, die in Bruchteilen einer Sekunde die ganze Erde umkreiste und dann über die Richtstrahler in den Raum geschleudert wurde. Die kosmodromischen Stationen der künstlichen Satelliten und des

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