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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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entsprachen. Meine frohe Stimmung, in die mich die unerwartete Begegnung versetzt hatte, war bereits wieder verflogen. Peutan merkte es nicht. „Ich habe eine Überraschung für sie.“ Er stupste mit dem Fuß an das Paket. „Den Niagara. Das ist ihr Kater. Er kam gerade zur Welt, als sie abreiste. Er ist schon sehr gut erzogen, aber damit er nicht ausrückt, habe ich ihn für alle Fälle in den Karton gesteckt.“
    „Mit einem Kater kommst du zum Rendezvous?“ Ich konnte mir diese boshafte Frage nicht verkneifen. „Ich an deiner Stelle wäre mit Blumen erschienen.“
    „Blumen habe ich außerdem da drin.“ Peutan trat von neuem an das Paket, aus dem ein ängstliches Miauen erklang. „Na, und was machst du hier, Olympiasieger? Du glaubst gar nicht, wie wir bei deinem Endspurt vor Begeisterung geschrien haben. Wir haben nur bedauert, daß du nicht in den Farben unserer Anstalt gestartet bist. Na, zeig dich, dreh dich ins Licht, laß dich einmal anschauen, denn so…“
    Er beendete den Satz nicht, sondern stieß einen überraschten Pfiff aus. „Was hast du denn da? Du fliegst zum Alpha Centauri, du Sternbändiger, Marathonsieger, Doktor! Teufelskerl! Und nicht ein Wort hast du davon gesagt!“
    Behutsam, als handelte es sich um ein zerbrechliches Ding, berührte er das kleine Abzeichen der Gea. Nun hätte ich eigentlich lang und breit erzählen müssen, wie ich dazu gekommen war; ich brachte es aber in diesem Augenblick nicht fertig, sondern fragte nur: „Beneidest du mich?“
    „Und ob – selbstverständlich!“ rief er und lachte kurz auf.
    „Weißt du was? Ich beneide dich auch“, entfuhr es mir in einem Ton, daß Peutan nicht weiterfragte. Einige Sekunden lang standen wir einander gegenüber und blickten uns schweigend an. Schließlich ergriff er meine Hand, drückte sie feierlich und sagte: „Nun ja, dann müssen wir wohl Abschied nehmen. Wirst du uns Fernsehbesuche abstatten?“
    „Natürlich.“
    „Vergiß es nicht!“
    Wir sahen uns noch einmal in die Augen, dann schritt ich dem Ausgang zu. Die Luft war von dem sausenden Geräusch startender Raketen erfüllt. Als es still wurde, verklang hinter mir das Pfeifen Peutans.
    Vor dem Bahnhof verzweigten sich, viele Stockwerke hoch, nach allen Seiten rollende Gehsteige. Ich wählte den, der zum Park am Flußufer führte, lehnte mich an das Geländer und betrachtete das lichterstrahlende Panorama der Stadt, das unter mir dahinglitt.
    Am Rande der breiten Alleen erhoben sich in großen Abständen hohe Gebäude. Sie waren von einem Kranz von Gärten umgeben‚ deren Bäume sich schwarz gegen den weißen Hintergrund der hell erleuchteten Wände abzeichneten. Dieses Vorübergleiten war wie ein kilometerlanger, feierlicher Marsch düsterer, bewaldeter Inseln, von denen leuchtende Türme gen Himmel ragten. Unten zog sich die glatte, breite Oberfläche der Straße hin. Sie war durchsichtig wie Eis, in den Tunnels pulste der Verkehr wie in einem Adernetz. Über jedem Platz, unter jeder Straße sausten Fahrzeuge dahin, die infolge ihrer Geschwindigkeit als lange, farbige Streifen erschienen–unaufhörlich zirkulierendes Blut in den Arterien eines gigantischen Organismus. Der Glanz, den das kristallene Untergeschoß der Stadt ausströmte, vermengte sich mit dem Farbenregen, der von oben herabflutete. Die goldenen und roten, grünen und violetten Lichtfontänen der Reklamen flammten an den Häusern auf und versprühten. In den obersten Stockwerken funkelten die Auslagen der Geschäfte wie große Diamanten. Menschen kamen und gingen, beladen mit Päckchen, stiegen in die wartenden Hubschrauber, die an den zerstäubenden Lichtsäulen wie ein Bienenschwarm über den Waben eines riesigen Bienenstockes in der Luft hingen. An den Kreuzungspunkten des Luftverkehrs zwinkerten die farbigen Augen der Signale, unter der grünlichen Glasur der Straßen wälzten sich wahre Lawinen von Fahrzeugen. Überall herrschte die erregende, nervöse Hast des Feiertagabends. Ich allein glitt ruhig, unberührt, kühl über dieses brodelnde Durcheinander und sah gleichgültig zu, wie sich meine Hände, die ich auf das Geländer gestützt hatte, bald gelb, bald blau, dann wieder purpurrot färbten, als hätte ich sie plötzlich in Blut getaucht.
    Schließlich wurden die Lichtkaskaden seltener, der Verkehr wurde schwächer. Nun entdeckte ich keine Wolkenkratzer mehr, an ihre Stelle traten Häuser und endlich Häuschen. Dafür wuchsen die Gärten, wurden größer, breiteten sich immer mehr

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