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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Türmen vor, die nach allen Seiten streben. An den Hauptachsen würde ich die Wohnfluchten anordnen…“
    Sie skizzierte ihre Plane mit der Hand in die Luft. Ich hörte mit immer größerer Verwunderung zu. „Verzeihung, und was für ein Baustoff soll verwendet werden?“ warf ich ein.
    „Eis. Du weißt doch, welche Wassermengen bei der Verringerung der Meeresoberfläche in den Raum geschleudert werden, ohne daß wir eine andere Verwendung dafür haben. Eis besitzt in der Temperatur des Weltraumes recht gute technisch-konstruktive Eigenschaften.“
    „Ach so, im Weltraum!“ entfuhr es mir. „Ich verstehe. Es handelt sich also um eine Art fliegender Bauten, um eine Art milliardenfach vergrößerter Schneeflocken. Ja, aber wer soll in ihnen wohnen?“
    Alle lachten. Tembhara sagte: „Darum dreht es sich ja gerade, daß sich kein Interessent finden wird. Arme Nonna! Sie wird sie nicht bauen können und ist sehr betrübt darüber.“
    „Ja“, seufzte das junge Mädchen, „ich sehe immer deutlicher, daß ich mich zu früh auf diese Geschichte eingelassen habe.“
    „Auf welche Geschichte?“
    „Nun, auf das Leben. Ich hätte im Jahr hunderttausend zur Welt kommen sollen. Vielleicht sind dann meine Eispaläste gefragt.“
    „Auch damit hättest du eine schlechte Wahl getroffen“, entgegnete Ter Haar. „Man nimmt an, daß die Sonne im Jahre hunderttausend wieder, wie alle Viertelmillion Jahre, in einen dunklen, kosmischen Staubnebel eintritt. Damit beginnt der galaktische Winter.“
    „Eine Eiszeit?“
    „Ganz recht. Dann wird es so viel Eis und so viel Mühe geben, es aufzutauen, daß wohl kaum jemand Sinn für deine Eispaläste haben wird.“
    „Und die Sonne wird rot wie Blut sein“, warf Callarla nach einer kurzen Pause ein. Alle wandten sich ihr zu; aber sie sagte nichts mehr.
    „Nun ja, sie wird bestimmt rot sein, weil der Staub dieses kosmischen Nebels alle anderen Strahlen verschluckt“, erklärte Nonna.
    „Komisch, ihr sprecht darüber, als hättet ihr ein Dutzend solcher Winter erlebt“, spöttelte Ter Haar.
    „Wir wissen doch darüber Bescheid!“ entgegnete Nonna.
    „Das ist nicht dasselbe“, widersprach Ter Haar. „Es ist ein großer Unterschied, ob man den Wechsel der galaktischen Frühlinge und Winter, das Entstehen neuer Gebirgssysteme, das Wogen der Kontinente, das Austrocknen der Meere wahrnimmt, erlebt, oder ob man darüber Bescheid weiß. Im geologischen Maßstab betrachtet, ist der Mensch nicht mehr als eine Eintagsfliege. Die Tatsachen sind uns bekannt; aber wir kennen nicht die Erlebnisse, die ihnen entsprechen, denn die können wir nicht kennen.“
    „Na ja, ein Wesen, das eine Milliarde Jahre lang lebt…“, begann Nonna und verstummte.
    Wieder herrschte tiefe Stille im Zimmer. Nur der Regen rauschte vor den Fenstern.
    „Ich hatte unlängst einen sonderbaren Traum“, sprach Callarla ganz leise. „Ich schuf im Laboratorium einen künstlichen Organismus. Es waren winzige, hellrote Lebewesen. Sie vermehrten sich so rasch, daß sie bald wie ein rötlicher Schimmel das ganze Laboratorium, die Wände, den Boden, die Einrichtung bedeckten. Ich beschloß, ein eigenartiges Experiment vorzunehmen. Zu diesem Zweck wählte ich eine nicht zu heiße, aber auch nicht zu kalte Sonne, rollte einen Planeten von entsprechender Größe in ihre Nähe, begoß ihn, formte Meere und Kontinente, umgab ihn mit einer weichen Lufthülle und impfte ihm in Gestalt meiner rosigen Geschöpfchen organisches Leben ein. Ich überließ sie ihrem Schicksal. Was nachher geschah, weiß ich nicht, ich kann mich jedenfalls nicht mehr erinnern. Tausende, vielleicht sogar Millionen Jahre vergingen. Diese ganze Zeit über lebte ich und wurde nicht älter.“
    „Der Traum einer Frau“, murmelte Tembhara, der aufmerksam zuhörte.
    In den dunklen Augen Callarlas glomm ein Lächeln auf. Sie fuhr fort: „Eines Tages erinnerte ich mich an mein Experiment und beschloß, nachzusehen, was aus den Lebewesen geworden war, die ich auf die Oberfläche des Planeten verpflanzt hatte. Wie hatten sie sich entwickelt? Waren sie in die Tiefen der Meere getaucht, bedeckten sie die Kontinente? Welche Formen hatten sie angenommen? An all das dachte ich, als ich mich auf den Flug vorbereitete. Während ich zwischen den Sternen zu jenem Planeten flog, empfand ich eine unerwartete innere Unruhe. Als ich meine Eiweißzellen auf baute, hatte ich der Materie jede Entwicklungsmöglichkeit offengelassen. In meiner Einbildungskraft

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