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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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tauchten plötzlich Millionen von Wesen auf, die sich alle aus diesen unschuldigen, rosaroten Geschöpfen entwickelt hatten. Ob sie wohl bereits ihre Welt sehen und erkennen? dachte ich. Hören sie das Rauschen des Windes? Vielleicht beherrschen sie schon den ganzen Planeten, beginnen sich selbst zu erforschen und stellen sich bereits die Frage, woher sie gekommen, wie sie entstanden sind? Und dann wurde mir bewußt, daß ich ihnen nicht nur den Anfang, sondern auch das Ende mit auf den Weg gegeben, daß ich gleichzeitig mit dem Leben auch den Tod erschaffen hatte. Gerade in diesem Augenblick tauchte der Planet riesengroß, wolkenverhangen vor mir auf; er schien den ganzen Himmel einzunehmen. Meine Unruhe verwandelte sich in Trauer und Furcht… Da wachte ich auf.“
    „Was du für Träume hast!“ rief Nonna neidisch. „Ich träume bestenfalls von dem Ärger über einen schadhaften Automaten.“
    „Dein Traum ist aus der Ungeduld der Verwirklichung entstanden, die wir alle empfinden“, meinte ich. „Die Erwartung all der Entdeckungen, die wir am Ende unseres Fluges erhoffen, hat ihn hervorgerufen.“
    „Und zugleich ist er charakteristisch für den Beginn unserer Reise“, fügte Ter Haar hinzu. „Später werden wir in unseren Träumen nicht mehr den Ereignissen vorauseilen, sondern das Heimweh wird uns im Traum auf die Erde zurückführen.“
    „Ich bin der Meinung, daß es bei Callarlas Traum um etwas ganz anderes geht“, widersprach Tembhara, legte seine großen Hände auf die gläserne Tischplatte, wie auf die Tasten eines Klaviers, und fuhr fort: „Das ist der Traum eines Biologen, der nach Wissen und Gewißheit dürstet. Über die organische Entwicklung auf anderen Planeten wissen wir nichts. Wir kennen nur die Entwicklungsgeschichte des Lebens auf der Erde und auf dem Mars – und das sind Kinder derselben Sonne. Wie sieht es aber mit Lebewesen aus, die im Licht der Sonne entstanden sind und entstehen, die sich wie Herzen zusammenziehen und ausdehnen? Dieses Pulsieren des Lichtes muß sich doch im plastischsten Stoff, in der belebten Materie ausprägen! Wie ist das Leben unter den erkaltenden roten Riesen beschaffen und auf Planeten, die um Doppelsonnen kreisen und abwechselnd von der einen und von der anderen beschienen werden? Wie hat es sich im Licht der blauen Sonnen entwickelt, die gewaltige Energien ausstrahlen…“
    „… die tödlich sind“, warf ich ein. „Leben kann also dort nicht existieren.“ „Es kann sich Schutzmittel schaffen, zum Beispiel Hornpanzer mit einem hohen Gehalt an schweren Metallsalzen… Überlegt einmal: So verschieden wie das Alter der Sonnen ist auch das der Planeten. Man kann daher auf Gestirnen, die der Erde ähnlich sind, frühere oder spätere Entwicklungsphasen als die unserer Erde entdecken. Das ist aber noch nicht alles. Der Traum Callarlas berührt überdies die Frage, ob unsere Flora und Fauna und damit auch wir selbst etwas Durchschnittliches, eine der statistisch häufigsten Spezies sind, oder ob wir eine besondere Variante, eine seltene Abart darstellen. Vielleicht sind wir sogar einmalig, und die Wesen auf anderen Planeten schütteln über die Formen unserer Körper verwundert den Kopf…“
    „Falls sie überhaupt Köpfe haben“, unterbrach Nonna.
    „Richtig, falls sie welche haben.“
    „Du meinst also, daß wir so etwas wie ein zweiköpfiges Kalb des Kosmos sind?“ fragte ich lachend.
    Ter Haar schien ein wenig verärgert zu sein. „Das meinst du doch nicht im Ernst?“ wandte er sich an Tembhara.
    „Ich meine oder behaupte gar nichts. Callarlas Traum wirft diese Fragen auf.“ Der große Mechanoeurist verneigte sich leicht vor der jungen Frau, die während des ganzen Disputs stumm und reglos dagesessen hatte. Auf ihrem ruhigen Gesicht erschien manchmal, wie das schwache Leuchten einer Kerzenflamme, ein Lächeln, das nicht einmal die Lippen öffnete.
    „Na schön.“ Ter Haar wandte sich an Callarla. „Entscheide du den Streit: Was bedeutet dein Träum, was für einen Zweck hatte dein Experiment?“ „Ich weiß es nicht.“
    Diese Antwort hätte eigentlich ein Gelächter hervorrufen müssen. Aber es folgte eine tiefe Stille, die vom Rauschen des Regens erfüllt war. Seit langem hatte ich mich nicht so wohl gefühlt wie in dieser Stunde. Tief in Gedanken verfolgte ich den langsamen, gemessenen Zug der Tropfen an der Dachtraufe.
    „Du weißt es nicht?“ fragte Ter Haar. In seinen Worten lag Enttäuschung. „Und wenn du im Wachen ein

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