Gast im Weltraum
ähnliches Experiment ausführen könntest?“ „Ich fürchte, daß ich es nicht tun würde“, antwortete Callarla nach einigem Überlegen.
„Weshalb?“
Sie neigte den Kopf, dann sagte sie leise: „Nicht aus Mangel an Mut, sondern… Nein, ich weiß es wirklich nicht.“
„Vielleicht käme es dir wie eine Nachahmung des grotesken Schöpfungsaktes des Herrn aller Geschöpfe vor, an den die Alten glaubten?“ soufflierte der Historiker halblaut.
Callarla schwieg. Ihr schwindendes Lächeln bedeutete: Ich habe nichts mehr dazu zu sagen.
In diesem Augenblick ertönte von weit her, als käme es aus den grauen Wolken vor den Fenstern, ein feines, gläsernes Klingen. „Mittagessen!“ rief Tembhara und stand auf. „Da haben wir uns aber schön festgeredet.“
Erst jetzt sah ich, wie groß er war. Als wir uns von Goobars Frau verabschiedeten, fragte ich sie plötzlich: „Regnet es bei dir häufig?“
„Sehr oft. Hast du das gern?“
„Ja.“
„Dann komm.“
Als ich den anderen auf den Korridor folgte, hörte ich Tembhara mit seiner kräftigen Stimme sagen: „Das ist doch alles irreal. Auf das Ergebnis eines solchen Experimentes müßte man Hunderte Millionen Jahre warten. Selbst wenn das möglich wäre, wo sollte man die Geduld dazu hernehmen?“
Er lachte, öffnete die Tür des Aufzuges und betrat nach uns den Fahrstuhl. Die Glaskabine glitt lautlos in die Tiefe. Tembharas Lachen klang mir noch immer in den Ohren.
Ter Haar bat mich, ihn nach dem Essen in seinen Arbeitsräumen aufzusuchen. Nils, der Sohn des Ingenieurs Yrjöla, erbot sich, mich dort hinzuführen. Die Wohn- und Arbeitsräume der Historiker lagen im Heck der Gea. Die Gänge waren hier niedriger und nicht so geräumig wie im Mittelteil des Schiffes. „Hier ist es!“ sagte Nils und ließ mir den Vortritt. Eine neue Überraschung erwartete mich. Ich hatte geglaubt, ein helles Trionenlaboratorium vorzufinden, in dem alte Palimpseste durchleuchtet und, untersucht werden. Indessen standen wir am Eingang eines halbdunklen, hohen Raumes, der einem Kirchenschiff der alten Zeit ähnelte. Er war schmal und so hoch, daß sich der Blick in dem Dunkel zwischen den Spitzbogen verlor, die die Decke trugen. Sie schienen wie das erstarrte Flattern gigantischer Fledermausflügel. An den Wänden standen lange Regale und Pulte aus Lärchenholz. Helle Lampen hingen niedrig über ihnen, und davor saßen drei Menschen. Einer drehte sich beim Geräusch unserer Schritte um. Es war Ter Haar. Da das Licht ihn blendete, hielt er die Hand über die Augen und rief: „Ach, ihr seid es? Wartet einen Augenblick, meine Lieben, ich bin gleich fertig.“
Da ich nichts Besseres zu tun hatte, schaute ich den Historikern zu. Auf dem Gesicht des einen konzentrierte sich der Widerschein des Lichts, das auf die über den Tisch verstreuten Papiere fiel. Er hieß Moleticz. Manche fanden ihn komisch. Mir kam dieser Gedanke niemals. Gewiß, sein Kopf war schmal und endete in einem Kinn, das wie der Ellbogen eines Gerippes vorragte. Dazu hatte er weit abstehende Ohren. Bei einem gewöhnlichen Kopf wäre es nicht besonders aufgefallen, aber bei ihm erinnerten diese Riesenohren allzu aufdringlich an ihr Vorhandensein. Doch sein Gesicht wurde verschönt durch ein Lächeln, das zu sagen schien: Ich weiß sehr gut, daß ich komisch aussehe. Aber das macht nichts. Ihr seht ja, ich lache selbst darüber.
Später hörte ich von Ter Haar manches über ihn, seine biedere Schlauheit, mit der er den jüngeren Kollegen seine Ideen so suggerierte, daß sie sie für ihre eigenen hielten. Ich lernte auch sein vielseitiges Wissen schätzen. An jenem Tage aber mußte ich mich beherrschen, um nicht meine Belustigung über den Eifer merken zu lassen, mit dem er auf Ter Haar einredete. Er beklagte sich darüber, daß ihm archivalische Quellen über eine Person mit Namen Hinter oder Hitler fehlten. Wie belanglos kam mir im Grunde dieses kleinliche, mühsame Herumsuchen in den Relikten längst vergangener und vergessener Zeiten vor. Plötzlich fiel mir ein, daß ich eigentlich dem Gespräch der beiden Gelehrten nicht ungebeten zuhören dürfe. Ich schaute mich nach Nils um. Er stand mit erhobenem Kopf unbeweglich in der Tiefe des Saales. Als ich seinem Blick folgte, entdeckte ich ein schwach schimmerndes Viereck an der Wand, das ich anfangs für ein Fenster hielt. Es war aber kein Fenster.
Ich vergaß meine Umgebung und schritt, vor mich hinstarrend, als sähe ich eine Erscheinung, auf die Wand, auf
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