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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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betrachtete sie aufmerksam. Dabei bildete sich zwischen seinen Augenbrauen eine kleine, steile Falte. Wie das Bild eines geliebten Menschen starrt er es an, dachte ich. Die Felsen auf der Fotografie waren nicht größer als die Falte auf seiner Stirn; aber diese kleinen Vorsprünge und Spalten bedeuteten für ihn erbittertes, zähes Ringen um jedes Meter‚ vielstündige Angriffe und Rückzüge…
    „Ein Kampf ums Leben“, murmelte ich.
    Er legte die Fotografie beiseite und blickte mich scharf und prüfend an. „Du gehst auch in die Berge?“ fragte er. Ich nickte. Mit einemmal wurde er lebhafter. „Glaubst du, daß die Erregung, die durch die Gefahr hervorgerufen wird, eine entscheidende Rolle spielt?“
    „Ich habe eigentlich nie darüber nachgedacht, aber es ist durchaus möglich.“ Er überlegte kurz und sagte: „Ich glaube es nicht. Mit einer geringen Atomladung können wir eine ganze Gebirgskette von der Erdoberfläche verschwinden lassen. Wir beherrschen die Natur und haben deshalb manchmal das Gelüst, ihr,gleiche Chancen‘ zu geben, mit ihr Auge in Auge zu kämpfen, einer gegen den anderen, ohne unsere mechanischen Verbündeten. Das ist die Meinung meines Bruders. Ich möchte es aber anders ausdrücken: Auf der Erde befinden wir uns ständig in einer Umgebung, in der uns im Augenblick jeder Wunsch erfüllt, jede Laune befriedigt wird. Wir bewältigen Berge und Stürme, der Raum steht uns in allen Richtungen offen, für uns gibt es keine Hindernisse. Der Mensch will aber seinem innersten Wesen nach immer an der äußersten Grenze des Möglichen, also dort stehen, wo sich das bereits Erforschte und Überwundene mit dem noch nicht Bezwungenen, drohenden Unbekannten berührt. Für manchen ist eben eine Felswand eine solche Stelle.“
    „Vielleicht ist es auch das“, antwortete ich. „Weshalb dann aber der Drang, Berge auf dem Mond zu besteigen? Wir haben doch auf der Erde schwierige und gefährliche Berge genug. Man braucht nur an das Himalajareservat zu denken.“
    „Darum handelt es sich ja gerade, daß es ein Reservat, ein Naturschutzgebiet ist“, entgegnete Rudelik rasch. „Ich kann dir sagen, daß ich zum Beispiel lieber auf den Monden des Neptun Ski laufe als in den Alpen, obwohl unser Schnee tragfähiger ist als das gefrorene Gas. Trotzdem bin ich, wie viele andere, lieber dort. Weshalb? Weil die Wildheit der irdischen Gebirgswelt nicht mehr ganz natürlich ist. Sie besteht nur noch, weil wir es uns so wünschen, weil wir sie erhalten wollen, weil wir sie aus eigenem Willen unberührt gelassen haben. Trotz all ihrer Wildheit ist sie ein Teil unserer ,zivilisierten‘ Umgebung geworden. Auf dem Mond hingegen existiert aber die Natur nur noch in ihrer ganzen Ursprünglichkeit.“
    Ter Haar, der bisher geschwiegen hatte, griff unerwartet in unser Gespräch ein. „Ich weiß nicht, ob ich mit einem übertriebenen Selbsterhaltungstrieb behaftet bin oder ob es ganz gewöhnliche Feigheit ist. Ich muß jedenfalls gestehen, daß ich nichts für das Hochgebirge übrig habe. Klettereien in den Felsen haben mich nie gereizt.“
    „Ach, das hat mit Mut oder Feigheit nichts zu tun“, antwortete Rudelik. „Seinerzeit war eine Forschungsexpedition auf dem Pluto tätig…“ Er brach mitten im Satz ab und sah mich an. „Dein Vater ist Arzt?“ fragte er.
    „Ja“, antwortete ich erstaunt.
    „Ich kenne ihn.“
    Ich erwartete, daß er mehr darüber sagte; aber er fuhr in seiner Erzählung fort: „Diese Expedition suchte, soviel ich mich entsinnen kann, Minerallagerstätten. Nach Beendigung dieser Arbeiten kehrten alle Raketen bis auf eine, die die technischen Einrichtungen demontieren und mitnehmen sollte, auf die Erde zurück. Die Arbeiten zögen sich etwas in die Länge, so daß die Sauerstoffvorräte der Rakete nahezu aufgebraucht waren. Sie reichten gerade noch für den Flug zur nächsten kosmischen Station auf dem Neptun. An dem Tage, an dem die Rakete starten sollte, ging ein Mitglied der Besatzung in das Gelände, um die Sonden zur Messung der kosmischen Strahlung, die auf den Felsen im Umkreis der Forschungsstation montiert worden waren, zu holen. Der Mann liebte es ebenfalls nicht, auf Felsen umherzuklettern; aber es war seine Pflicht. Als er einen Hang überquerte, stürzte er so unglücklich, daß er sich einen Fuß brach. Überdies zersplitterte sein Teleran, so daß er nicht einmal mehr imstande war, seine Gefährten von dem Unfall zu verständigen. Achtzehn Stunden brauchte er, um sich zur

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