Gast im Weltraum

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Autoren: Stanislaw Lem

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Rakete zurückzuschleppen. Dort berichtete er: ,Die geringste Bewegung hat mir solche Schmerzen bereitet, daß ich jeden Augenblick das Bewußtsein zu verlieren glaubte. Wenn ich überzeugt gewesen wäre, daß die Rakete abfliegen würde, bevor die Sauerstoffreserve bis zur äußersten, erlaubten Grenze erschöpft wäre, dann wäre ich liegengeblieben, um zu sterben. Ich wußte aber, daß ihr nicht abfliegen, sondern mich suchen würdet. Und dann würde euch der Sauerstoff zur Rückkehr fehlen. Also mußte ich unter allen Umständen die Rakete erreichen.‘“ „Natürlich haben sie auf ihn gewartet?“ warf ich ein.
    „Selbstverständlich. Mit dem Sauerstoff sah es schlimm aus. Zum Glück begegneten sie auf dem Rückflug einer unbemannten Patrouillenrakete, bei der sie Luft tanken konnten. Siehst du, Ter Haar, der Mann, von dem ich eben sprach, liebte es auch nicht, in den Bergen herumzuklettern. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Charakterwerten wie zum Beispiel dem Mut und der Vorliebe oder der Leidenschaft für Hochtouristik.“
    „Kanntest du diesen Menschen?“ fragte ich.
    „Nein, aber dein Vater kannte ihn“, antwortete Rudelik. Als er meine erstaunte Miene sah, fügte er lächelnd hinzu: „Dein Vater hat ihn behandelt. Er war Bordarzt dieser Expedition.“
    „Wann war das?“
    „Das ist lange her, ungefähr vierzig Jahre.“
    Ich schwieg verblüfft.
    Ter Haar unterbrach die Stille: „Wißt ihr, weshalb die Flamme das Emblem der Raketenpiloten ist?“
    „Ein silberner Funke auf schwarzem Feld“, verbesserte ich ihn. „Ja, das weiß ich. Warte, zwei Worte stehen dabei: ‚Durch Flammen‘. Die Lösung ist wohl einfach. Wahrscheinlich haben sie dieses Abzeichen gewählt, weil die Flamme, das Feuer, die Quelle der Antriebskraft der Raketen ist.“
    „Vielleicht, auch das ist möglich“, entgegnete Ter Haar. „Die Piloten sprechen aber etwas anders darüber. Die Tradition überliefert von Generation zu Generation eine Legende, die mir Ameta erzählt hat. Kennst du Ameta? Nein? Dann mußt du ihn unbedingt kennenlernen. Das zwanzigste und einundzwanzigste Jahrhundert war die Zeit der Pionierflüge mit Raketen. Diese Flüge kosteten viele Opfer. Angeblich geriet eine der ersten Mondraketen gleich nach dem Start in Brand. Der Pilot konnte die brennenden Treibstoffbehälter abwerfen, dann wären sie aber auf die Stadt gefallen. Er steigerte daher die Fluggeschwindigkeit. Er kam in den Flammen um, aber es war ihm gelungen, die Rakete durch Flammen hindurch aus dem Bereich der Erde zu bringen. Daher stammen diese Worte.“
    „Das bedeutet, daß der Mensch nicht nur versteht, verschiedene Gebilde zu erdenken und herzustellen, die im gesamten Kosmos nicht existieren, sondern daß er ihnen auch in jeder Situation gewachsen ist“, ergänzte Rudelik.
    Als wir uns von ihm verabschiedeten, sagte ich: „Du kennst meinen Vater.
    Schade, daß du ihn nur flüchtig erwähnt hast. Vielleicht erzählst du mir ein andermal mehr über ihn.“
    „Gern.“ Er drückte mir die Hand und fügte hinzu: „Ich glaube allerdings, daß wir die ganze Zeit über ihn gesprochen haben.“
    Als ich neben Ter Haar im gelben Licht der Lampen die Gasse der Physiker entlangschritt, war ich so sehr mit meinen Gedanken beschäftigt, daß ich gar nicht merkte, wer uns begegnete. In dem halbrunden Saal, wo ich meine Wanderung begonnen hatte, setzte sich Ter Haar auf eine Bank unter der weißen Statue, sah mich von unten her forschend an und fragte mit einem versteckten Lächeln: „Na, wie steht’s, willst du noch mehr?“
    „Was denn?“ fragte ich, aus meinem Nachdenken aufgeschreckt.
    „Nun, Menschen – Menschen unserer Gea.“
    „Selbstverständlich.“
    „Na schön. Wohin wollen wir gehen?“
    Er stand auf und wies mit der Hand auf die verschiedenfarbigen Eingänge zu den Gassen, deren Licht wie die Streifen eines Regenbogens ineinanderfloß. Dann sprach er feierlich, als zitierte er einen Satz aus einem Märchen: „Wendest du dich nach rechts, dann siehst du Wunder… Du hast sie bereits gesehen“, fügte er rasch mit seiner gewöhnlichen Stimme hinzu. „Gehst du geradeaus, dann begegnest du Geheimnissen. Nun gut, mögen es diesmal Geheimnisse sein. Wach endlich auf, Doktor, komm zu dir! Los, wir wollen gehen!“
    „Wohin?“
    „Dorthin, wo das Geheimnis zu Hause ist, in die Gasse der Biologen.“
    Wir schritten den grünen Korridor entlang. Auch ihn säumten die gemalten Giebelwände der Häuschen.
    „Wir sind da“,