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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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diesem Saal zu treffen. Ich ging auf sie zu und hörte gerade noch die letzten Worte von Nils: „Das ist eine äußerst fesselnde Erzählung. Stellenweise ist sie allerdings schwer zu verstehen. Auch die Übersetzung ist schlecht, ich habe sogar Fehler gefunden.“
    „Was du nicht sagst!“ rief der Historiker.
    „Doch. Bitte, hier zum Beispiel“ – Nils wies auf eine Stelle –, „hier steht: ,Das Bedauern, meine Instrumente verloren zu haben, preßte mir das Herz zusammen.–‘“
    „Und wo siehst du da einen Fehler?“
    „Bedauern bezieht sich auf lebende Wesen. Man kann doch nur den Verlust lebender Wesen und nicht toter Gegenstände bedauern.“
    „So ist es heute, mein Lieber. Früher war es anders“, antwortete Moleticz. „Der Ausdruck ,den Verlust von Sachen bedauern‘ beleidigt dein Empfinden; denn du bist es nicht gewohnt, und zwar deshalb nicht, weil die Bedingungen, die diese Begriffskopplung schufen, seit Jahrhunderten nicht mehr bestehen.“
    „Und ich dachte, es wäre ein Fehler“, staunte Nils.
    Durch die weit geöffnete doppelflüglige Tür kamen einige unserer Gefährten. Sie traten zu uns und hörten dem Gespräch zu.
    „Ein Stück weiter“, fuhr Nils fort, der offensichtlich froh war, jemanden gefunden zu haben, der seine Zweifel zerstreuen konnte, „beginnt ein sonst sehr kluger und interessanter Mensch auf einmal davon zu träumen, wie schön es wäre, wenn jeder sein eigenes Flugzeug hätte. Er fügt aber gleich hinzu:
    ‚Doch das ist ein Märchen.‘“
    „Die Erzählung spielt ja im Mittelalter. Der Gedanke, daß jeder Mensch sein eigenes Flugzeug haben könnte, war zu jener Zeit tatsächlich wie ein Satz aus einem Märchen.“
    „Das sind doch dumme Träumereien! Was nützt es denn, wenn es heute wie ein Satz aus einem Märchen klingt? Es hat ja doch keiner sein eigenes Flugzeug.“
    „Natürlich nicht, es braucht ja auch niemand eins.“
    „Einen Augenblick… Weshalb hat eigentlich heutzutage niemand ein eigenes Flugzeug?“ überlegte Nils.
    „Ich will es dir erklären. Die Worte, die der Held dieser Erzählung spricht, sind gar nicht so sinnlos. Früher, in der Epoche des Barbarentums, gab es das individuelle Eigentum an den Produktionsmitteln und an den produzierten Gütern. Später, auf der niederen Entwicklungsstufe des Kommunismus, wurden die Produktionsmittel gesellschaftliches Eigentum, die Konsumtion der produzierten Güter blieb aber weiterhin individuell, das heißt, jeder Mensch konnte ein eigenes Flugzeug besitzen. Davon träumt der Held des Buches. Die gesellschaftliche Entwicklung blieb indessen nicht stehen, als sich dieser Traum verwirklicht hatte, sondern ging weiter. Heute leben wir in einer Zeit, in der das individuelle Eigentum, selbst an den Konsumtionsgütern, verschwunden ist. Und weshalb? Das ergibt sich aus der Realisierung des Grundsatzes: ,Jedem nach seinen Bedürfnissen.‘ Wozu dient ein Flugzeug? Dazu, daß man sich von einem Ort zum anderen bewegt. Du rufst es an und fliegst, wohin du willst. Wenn du dein Ziel erreicht hast, dann erlischt dein Interesse an dem Flugzeug. Nicht wahr? Gesetzt den Fall, du hättest nun ein eigenes Flugzeug. Wo müßtest du es unterbringen? Natürlich zu Hause. Wenn du aber zum Beispiel mit einer Rakete auf die andere Halbkugel der Erde fliegst, dann kannst du es nicht mitnehmen. Der Transport wäre viel zu umständlich. Viel bequemer ist es, gleich dort am Reiseziel eines zur Hand zu haben. Nun, nehmen wir an, es wäre auch ein eigenes. Der Mensch unternimmt aber ständig verschiedene Reisen mit Raketen. Er müßte also überall, wo er hinfliegt, eigene Flugzeuge haben. Wenn man diesen Gedanken folgerichtig zu Ende denkt, dann müßte er auf jedem Raketenbahnhof der Erde eine Maschine stationiert haben; denn es kann ja sein, daß er da- und dorthin fliegt. Wenn nun jeder so dächte und handelte, dann wäre bald die ganze Erde mit wartenden Hubschraubern bedeckt. Was für eine unnütze Verschwendung, welch eine Unbequemlichkeit wäre das! Du könntest ohnehin nicht an allen Orten der Erde deine eigene Maschine haben. Verzichtest du auf das ‚Privileg des Eigentums‘, dann hast du – und so ist es heute – auf der Erde überall und zu jeder Stunde das Beförderungsmittel zur Verfügung, das dir im gegebenen Fall am meisten zusagt.“
    „Ich verstehe, wir haben also die Träume der Alten überholt“, sagte Nils. „Aber trotzdem kann man heute ein eigenes Flugzeug haben, nicht wahr?“
    „Natürlich.

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