Gast im Weltraum
Verspätung der Radiowellen ungefähr neun Minuten“, sagte er. „Es ist tatsächlich nicht leicht, mit solchen Verzögerungen ein Gespräch zu führen. Außerdem werden die Intervalle immer größer, sie werden bald Stunden und Tage dauern.“
„Ja… das ist der Anfang unserer Vereinsamung.“
„Nein, nein! Wir sind zu viele, als daß wir von einer Vereinsamung sprechen könnten“, widersprach Ter Akonian lebhaft. „Eine so zahlreiche Expedition in den Weltraum hat es noch nicht gegeben.“
„Wer ist eigentlich als erster mit diesem Projekt hervorgetreten?“
„Das ist nicht bekannt. Die Idee selbst ist nicht neu. Sie tauchte auf, verschwand wieder, geriet in Vergessenheit, tauchte wieder auf. Man sprach bereits von ihr, als es technisch noch gar nicht möglich war, sie zu verwirklichen. Aber auch später, als die technischen Mittel vorhanden waren, wurde sie nicht ausgeführt, sondern gehörte nach wie vor ins Reich der Träume. Barder war der erste, der vor ungefähr hundertvierzig Jahren genaue Pläne ausarbeitete. Barder hatte sehr viele Gegner. Er aber erklärte: ‚Dieses Unternehmen ist so schwierig, so unerhört schwierig, daß man es versuchen muß!‘“
Als der Astrogator verstummte, sagte ich: „Ich möchte eine vielleicht etwas dreiste Frage an dich richten: Hättest du auch dann an der Expedition teilgenommen, wenn du wüßtest, daß du nicht zurückkehrst?“ „Ich oder das Schiff?“ entgegnete er so rasch, daß ich, unvorbereitet auf diese Unterscheidung, eine Zeitlang schwieg. „Wir alle“, antwortete ich schließlich.
„Dann hätte ich es nicht getan. Aber woher sollte die Gewißheit kommen, daß eine Katastrophe eintritt?“
„Das weiß ich nicht. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Es handelt sich nur um eine Vermutung.“
„Eine solche Vermutung muß sich auf Realitäten stützen. Das Risiko kann beliebig groß sein. Die Tatsache seines Bestehens allein begründet zugleich die Möglichkeit des Erfolges.“
„Nun gut. Wenn zum Beispiel die Chance, zurückzukehren, eins zu tausend wäre…“
„Dann ja.“
„Weshalb ja? Aber vielleicht bin ich aufdringlich?“
„Nein, das bist du nicht. Du bist wißbegierig, und das ist etwas ganz anderes. Ich will auf deine Frage antworten: Der Mensch trifft, sobald er sich ein neues Tätigkeitsfeld erschließt, auf den Widerstand des Unbekannten. Das ist eine uralte Erscheinung und Erfahrung. Dem Urmenschen, dem ersten Schöpfer eines Werkzeuges, fiel es gewiß sehr schwer, aus einem Kiesel eine Lanzenspitze herzustellen. Durch wiederholte Versuche überwindet der Mensch den Widerstand des Materials. Dieser Widerstand formt die weiteren Versuche und den Menschen selbst, bereichert ihn in zweifacher Hinsicht: durch das neuerworbene Wissen über die Eigenschaften der Materie und durch die Summe der neuen Erfahrungen. Das ist ein langer und komplizierter Prozeß. Die ersten Versuche bei diesem Zusammentreffen mit dem Unbekannten fallen möglicherweise negativ aus, führen nicht zu Ergebnissen, die sofort verwertbar sind. Sie sind aber, wenn man die Entwicklungsgeschichte betrachtet, notwendig. Ohne die ersten Versuche, aus Steinen Funken zu schlagen, gäbe es kein Feuer. Ohne die ersten, von Meteoren zertrümmerten Raketen gäbe es keine Herrschaft des Menschen über den Raum. Die Bedeutung für die Gesellschaft rechtfertigt das Risiko. Doch wir wollen auf unsere Expedition zurückkommen. In der Verlautbarung über die Werbung der Expeditionsteilnehmer haben wir ausdrücklich betont, daß die Schwierigkeiten ungeheuer groß sein werden und daß eine Katastrophe in einer langen Zeit leicht möglich ist. Du hast den Wortlaut gewiß noch im Gedächtnis, und du wirst mir beipflichten, wenn ich sage, daß er alles andere als ermutigend war. Überdies waren die Anforderungen, die an die Kandidaten gestellt wurden, sehr hoch. Nur ganz bestimmte Berufsgruppen kamen in Betracht. Jeder Bewerber mußte nachweisen, daß er auf wenigstens drei Spezialgebieten ausgebildet ist. Diese Anforderung begrenzte die Zahl der Bewerber sehr stark. Trotz allem erhielten wir fünfzehn Millionen Meldungen. Es lohnt, darüber nachzudenken, was es bedeutet, daß auf der Erde fünfzehn Millionen Menschen leben, die willens sind, das von uns begonnene Werk fortzuführen und zu vollenden, falls wir nicht mehr in der Lage sind, es zu tun. Habe ich deine Wißbegier befriedigt?“
„Nein. Sag mir, weshalb du – du selbst – an dieser Expedition
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