Gast im Weltraum
Unsere Einstellung zu diesem Problem hat sich aber gewandelt, so daß jeder von uns ein solches oder ähnliches ‚Eigentum‘ als Belastung und nicht als ‚Erfüllung seiner Träume‘ ansähe.“
In diesem Augenblick glühte die Decke rot auf. Das ganze Schiff erzitterte, wenn auch nicht beträchtlich, so doch deutlich wahrnehmbar. Ein dumpfes, metallenes Stöhnen erklang. Dann trat wieder Stille ein, die kurz darauf von einer Stimme aus dem unsichtbaren Lautsprecher unterbrochen wurde: „Achtung! Achtung! Alarmstufe eins! Alle Gravitationsmaschinensätze – stop! Achtung! Bereitet euch auf das Schwinden der Gravitation vor.“ Ich spürte, daß ich immer leichter wurde. Die Gea rotierte nicht mehr um ihre Achse. Bald erhoben sich Menschen und Gegenstände langsam in die Luft. Die Sessel, die Tische – kurz, alles, was nicht am Fußboden befestigt war, schwebte gewichtslos umher. Vor meinen Augen glitt das große Gesicht einer Marmorstatue vorüber. Der Ausdruck höchster Verwunderung schien in ihm erstarrt zu sein. Mit den Fingerspitzen berührte ich die Decke. Dieser sonderbare Zustand währte vielleicht zwanzig Sekunden. Dann vernahmen wir wieder die Stimme aus dem Lautsprecher: „Achtung! Achtung! Alarmstufe eins ist aufgehoben. Die Gravitationsmaschinensätze sind wieder in Betrieb! Achtung! Achtung! Weitere Anweisungen abwarten!“
Wie Ballons, aus denen allmählich das Gas entweicht, sanken wir zu Boden. Sobald einer mit den Füßen den Boden berührte, klammerte er sich an den nächsten feststehenden Gegenstand, um sich im Gleichgewicht zu halten. Einige Augenblicke herrschte noch Verwirrung, dann liefen wir hinaus auf das Promenadendeck.
Unter der Gea bot sich noch immer das gleiche Bild. Die Riesenmasse des Jupiters überflutete uns mit ihrem trüben, bernsteinfarbenen Licht. Hinter uns hing ein leuchtender Gasballon unbeweglich im Raum; er dehnte sich aus wie ein explodierender Stern. In der Totenstille, die nur von unseren raschen Atemzügen unterbrochen wurde, hörten wir die kurzen, abgerissenen Töne der Relaissummer. Kurz hintereinander pfiffen Schnellaufzüge vorbei. Schließlich stoppte die Gea und wandte ihre Auspuffdüsen dem Jupiter zu. Zweimal schossen kurze Flammen aus ihnen hervor, und gleich darauf durchdrang ein feines Pfeifen alle Räume der Gea: Die statischen Strahlungsemitoren waren in Aktion getreten. Das Schiff hing leicht geneigt über der Scheibe des Planeten, die sich nach allen Seiten unabsehbar weit erstreckte. Wieder sausten Fahrstühle durch die Schächte. Keiner von uns wagte, sich jetzt mit dem Steuerraum zu verbinden, um die Astrogatoren nicht zu stören.
Fünf Minuten später hatte sich alles beruhigt. Wir wollten gerade an das nächste Telefon gehen, als von neuem die Stimme aus dem Lautsprecher erklang: „Achtung! Achtung! Wir fordern die Ärzte auf, sich auf ihre Plätze zu begeben!“
Ein Fahrstuhl brachte mich in die unteren Stockwerke. Auf dem Wege zum Operationssaal kam mir Anna Ruys entgegen.
„Was ist los?“ rief ich.
„Ein Unglücksfall! Rasch! Ich habe keine Zeit zu langen Erklärungen. Fahr hinunter zur Druckkammer. Ich komme gleich nach!“ Sie schob mich in den Aufzug und schlug die Tür so hastig hinter mir zu, daß ich nicht einmal antworten konnte. Ich glitt in die Tiefe, ohne zu wissen, weshalb und wozu. Im vorletzten Stockwerk hielt der Fahrstuhl. Die Tür öffnete sich, Ter Akonian und Yrjöla stiegen ein.
„Was ist denn geschehen?“ fragte ich sie, als sich die Kabine wieder in Bewegung setzte.
Der kurzen Schilderung des Ingenieurs entnahm ich, daß uns an diesem Morgen jemand vom Jupitermond Ganymed, an dem wir in einer Entfernung von höchstens achtzigtausend Kilometern vorbeigekommen waren, entgegengeflogen war, um uns zu begrüßen. Wahrscheinlich war es ein Student der Kosmodromie, der sein praktisches Jahr in der astronautischen Station absolvierte, die sich dort befindet. Auf diesem Jupitermond leben gewöhnlich einige Kollektive von sechzig bis siebzig Studenten und Wissenschaftlern, die jedes Jahr abgelöst werden. Mit der Erde stehen sie nur durch das Radio in Verbindung. Der Pilot, der uns in einer einsitzigen Rakete entgegengeflogen war, hatte wohl seit langem über den Flug der Gea Bescheid gewußt und ungeduldig auf sie gewartet.
Wie es jugendliche Heißsporne manchmal tun, hatte er die automatischen Sicherungen an den Steuerhebeln seiner Rakete ausgeschaltet, um uns zu Ehren einige halsbrecherische Kunststückchen
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