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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Indessen war er, wenn man nach Wuchs und Stimme urteilte, ein Jüngling.
    Als er sich dem Ausgang der Sterngalerie zuwandte, folgte ich ihm. Im gedämpften Licht des Korridors betrachtete ich ihn erst einmal genauer. Er war klein, untersetzt, hatte einen unverhältnismäßig großen Kopf und braunes, borstiges Haar. Sein Gesicht war hager, wie aus Stein gemeißelt, die Nase am Ende leicht gebogen. Die fest zusammengepreßten Lippen schienen in unbewußter Anstrengung ein Geheimnis wahren zu wollen. Sein Gang war leicht, seine Bewegungen waren geschmeidig. Es sah aus, als wären unter seinem Anzug lauter komprimierte Spiralfedern verborgen, die jeden Augenblick bereit waren, ungestüm emporzuschnellen. Anfangs glaubte ich, er wäre etwas über zwanzig Jahre alt; aber als wir aus dem dunklen Teil des Korridors in den hell erleuchteten kamen, entdeckte ich in den Augenwinkeln viele scharfe Fältchen. Wenn ich sprach, dann musterte er mich, als wollte er meinen Wert abschätzen.
    Der Korridor erweiterte sich zu einer breiten Wandelhalle. In einer geräumigen Nische standen einige bequeme Sessel. In der Wand gegenüber befand sich ein großes Aquarium, aus dessen Tiefe ein grünliches Leuchten aufstieg. Schattenhaft, träge bewegten sich die Fische. In der Nische saßen der Astrogator Songgram und ein hellblondes Mädchen, das ich nur flüchtig kannte. Lena Bahrens – so heißt sie – ist Assistentin im Institut für Zukunftsplanung und nimmt als Mitglied der Forschungsstelle des Instituts an unserer Expedition teil. Wir setzten uns zu den beiden. Ameta starrte eine Zeitlang schweigend zu der Glaswand hinüber. In dem grünlichen Licht, das von dem Wasser ausging, schien sein kastanienbraunes Haar fast schwarz zu sein. Plötzlich fragte er: „Weshalb fliegen wir eigentlich zu anderen Sternen?“ „Einer muß doch der erste sein“, antwortete Lena. Er unterbrach sie. Es zeigte sich, daß sie – wie übrigens auch ich – den Sinn der Frage nicht verstanden hatte.
    „Weshalb fliegen wir zu anderen Sternen? Zu uns auf die Erde ist doch niemals jemand gekommen.“
    Eine lebhafte Diskussion entspann sich nun über das Thema, ob nicht doch Besucher aus anderen Sonnensystemen in längst vergangenen Epochen, vor Tausenden oder gar Millionen Jahren auf die Erde gekommen seien.
    Schließlich meinte Songgram: „Im Grunde übt unser Sonnensystem eine sehr geringe Anziehungskraft aus. Erstens liegt es an der Peripherie der Milchstraße in einer ziemlich sternarmen Zone, und zweitens ist es ungefähr dreißigtausend Lichtjahre vom Zentrum entfernt. Wir sind also ein ganz abgelegenes Provinznest des Weltalls. Drittens weist von allen unseren Planeten nur die Erde hochentwickelte, organische Lebensformen auf. Dabei ist sie einer der kleinsten Planeten, der aus größeren Entfernungen sehr schwer zu beobachten ist. Überdies wurde sie in den letzten hundert Millionen Jahren von Eiszeiten heimgesucht. Möglicherweise hielt das selbst die begeistertsten Astronauten einer anderen Welt davon ab, uns einen Besuch abzustatten.“
    Ameta nickte zustimmend. „Du hast recht, wir haben nur geringe Aussicht, daß jemand aus dem Weltraum zu uns kommt. Das ist eigentlich schade“, fügte er hinzu. „Die Menschen früherer Zeiten dachten nicht an Wesen aus anderen Welten. Heute aber spüren wir eine Sehnsucht in uns wie ein einsamer nächtlicher Wanderer, der auf seinem weiten Weg einem anderen begegnen möchte…“
    Ich hätte nicht geglaubt, daß die Lippen des Piloten so weich lächeln könnten. Er war es gewohnt, beim Sprechen jemandem in die Augen zu sehen. Diesmal heftete er seinen Blick auf Lena. Anfangs hob sie die Lider, senkte sie aber gleich wieder, wie in stummer Abwehr. Bald darauf erhob sie sich und schlug vor, in den Garten zu gehen. Songgram mußte seinen Dienst im Steuerraum antreten und verabschiedete sich von uns. Wir drei begaben uns in den Garten. Ich verließ als letzter die Nische, die ständig von dem flim mernden Licht aus dem Aquarium überflutet wurde. Als ich den beiden folgte, streifte ich mit dem Ellbogen die Glaswand und begegnete dem starren Blick eines großen Fisches mit hufeisenförmigem Maul. Er wiegte sich leicht auf der Stelle. Die Kiemen, die wie Bärte von seinem Kopf abstanden, bewegten sich stumpfsinnig oder, wie mir schien, spöttisch…
    Auf dem Felsen über dem Bach saßen einige unserer Gefährten und sangen leise. Wir gingen in den anderen Winkel des Gartens, stiegen auf einen kleinen, mit

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