Gast im Weltraum
Buschweiden bepflanzten Hügel und erreichten durch einen lehmigen Hohlweg ein Sommerhäuschen, das zwischen dichten, hohen Flieder- und Haselnußsträuchern versteckt liegt.
Auf dem Gipfel des Hügels blieb ich stehen und betrachtete nachdenklich die Sonne, die hinter rotglühenden Wolkenstreifen versank. Ich glaubte, nur wenige Minuten dort gestanden zu haben; aber als ich die anderen einholte, war alles bereits in tiefblaue Dämmerung gehüllt. In dem Häuschen war es beinahe finster. Ich hörte gerade, wie Ameta zu Lena sagte: „Im Kosmos gibt es keinen blauen Himmel, weder Farben noch Schatten, keine Wolken und keinen Wind, der sie vor sich hertreibt. Im All murmelt kein Bach und singt kein Vogel. Glühende Gaswolken, eisstarrende Planeten, ewige Nacht und Leere – das ist der Weltenraum. Eine Erde wie die unsere ist ein seltenes und ungewöhnliches Ding… Du fragst, weshalb ich Pilot bin? Das ist ebenso, als wenn du fragtest, weshalb der Stein hier liegt, auf den du deine Füße stützt. Wäre dieser Stein nicht da, dann müßte ein anderer an seiner Stelle liegen.“ „Das verstehe ich“, antwortete Lena. An dem Aufflimmern ihres goldblonden Haars merkte ich, daß sie den Kopf bewegte. „Du bist aber kein Stein, dich hat niemand an eine bestimmte Stelle gelegt. Du hast sie dir selbst gewählt.“ „Hm“, brummte Ameta. Unwillkürlich stellte ich mir ihn von neuem wider besseres Wissen als breitschultrigen Riesen vor. „Muß denn alles bis zum letzten Wort gesagt sein? Weshalb bin ich Pilot? Einige meinen, es sei ein Beruf, anders als alle anderen, und sie glauben, ich spielte ständig mit dem Zufall um mein Leben. Das stimmt nicht. Ich bin weder ein Spieler noch ein Held, aber auch kein Narr. Ich lebe wie jeder andere, nur…“
„Nur?“ wiederholte Lena leise.
„Stärker.“
Sie schien zu überlegen, was sie darauf antworten sollte.
„Du fragst, weshalb ich Pilot geworden bin“, fuhr Ameta fort. „Siehst du… Ich will, daß die Flüge zur Milchstraße Wirklichkeit werden. Hierzu sind höchste Geschwindigkeiten notwendig. Manche sind der Ansicht, daß es unmöglich ist. Es genügt nun nicht, daß ich überzeugt bin, recht zu haben. Das wäre sehr wenig. Ryesz hat behauptet, daß der Mensch eine Geschwindigkeit von mehr als hundertachtzigtausend Kilometern in der Sekunde nicht aushält. Ich wollte beweisen, daß dies nicht stimmt. Theoretischvermochte ich es nicht, ich mußte also die Theorie durch einen Versuch widerlegen…“
„Kannst du mir sagen, weshalb du… damals gelächelt hast, als… Verzeih, ich weiß nicht, ob es wahr ist…“
Ameta räusperte sich verlegen. „Ach, du hast davon gehört? Ja, es ist wahr. Als sie mich aus der Kabine herausholten, da lag ein Lächeln in meinem Gesicht. Das war vielleicht unvernünftig–vielleicht. Als ich den Beschleuniger einschaltete, begann das, was man Bewußtseinsflimmern nennt, weißt du. Ich kämpfte dagegen an, solange ich konnte. Dann wurde die Bewußtseinstrübung stärker. Ich war mir nicht im klaren, was ich tun sollte, damit nicht Schluß war… Nein, ich wollte nicht sterben, viel weniger aber wollte ich, daß Schluß war. Deshalb begann ich zu lachen. Und so verlor ich das Bewußtsein.“
„Ich verstehe dich nicht… Du wolltest nicht, daß Schluß ist – ja, mit was denn?“
„Mit den Flügen“, erklärte Ameta. „Ich konnte nicht mehr logisch denken, ich war nicht mehr fähig dazu, verstehst du? Ich stellte mir das ungefähr so vor: Wenn sie die Kabine öffnen und sehen, daß ich bis zum Schluß gelächelt habe, dann nehmen sie sicherlich an, daß alles… nicht so schwer ist…“ Er zögerte, bevor er fortfuhr. „Ich weiß, es klingt albern, wenn man es nüchtern und sachlich erzählt. Ich wiederhole übrigens noch einmal: Ich dachte nicht mehr, denn ich konnte es nicht. Du magst es als eine Art Reflex bezeichnen.“
„Du hättest umkommen können“, sagte das Mädchen kaum hörbar. „Gewiß. Ich habe gründlich darüber nachgedacht. Wenn der Mensch stirbt, dann sterben mit ihm die Erinnerung, die Zukunft, alle Möglichkeiten, die sich nicht weiterentwickeln können, alle Gefühle und Empfindungen. Darin liegt weder eine Benachteiligung noch ein Unrecht, das bedingt weder Bedauern noch Leid. Der Tote ist nicht mehr da, und wie kann einer, der nicht existiert, über das eigene Los betrübt sein? Das ist es ja gerade! Es sind nur gewisse Konsequenzen daran geknüpft, aber vielleicht… Wir wollen nicht mehr
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