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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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die Tiefen unter der Oberfläche der Meere. Nicht sie waren ihr Feind, sondern ungünstige Winde, Stürme, die ihre Schiffe angriffen und versenkten. Aber dieser Feind schickte sichtbare Boten, ei verkündete sein Nahen durch höheren Wellengang, durch ein Chaos von Wasser und Wolken. Standen sie ihm dann Auge in Auge gegenüber, spürten sie seine gewaltigen Schläge und Stöße, dann wehrten sie sich und siegten oder fielen im Kampf. Zwischen den Sternen gibt es so etwas nicht. Bevor die ständige Radarabschirmung erfunden wurde, waren die Raumschiffe der Gefahr eines Zusammenstoßes mit Meteoren ausgesetzt. Oft trennte nur der Bruchteil einer Sekunde den ruhigen Flug von der Vernichtung beim tödlichen Zusammenprall. Schritt für Schritt wurden die Schutzmittel verbessert und vervollkommnet. Unter großen Opfern wurden die Gesetze der Raumschiffahrt ergründet und erkauft. Sie ähneln in keiner Weise den Verkehrsregeln, die auf der Erde gelten.
    Wir sprechen zum Beispiel von einer Begegnung der Raketen. Sie wird im Bordbuch als nah vermerkt, wenn zwischen den beiden Raumschiffen einige Tausend Kilometer liegen; das heißt nach irdischen Begriffen, wenn sich das eine diesseits und das andere jenseits des Ozeans befindet. Fliegen sie in einer Entfernung, die dem Erddurchmesser gleicht, aneinander vorüber, dann wird auch das noch als Begegnung notiert. Das muß so sein. Wenn nämlich die Menschen die irdischen Gepflogenheiten unverändert auf die Weltraumflüge übertrügen, dann wären sie der Vereinsamung preisgegeben. Wie sich aus einer oberflächlichen Berechnung ergibt, könnten zwischen den Planeten allein nicht Millionen, sondern Milliarden Raketen kreisen, und trotzdem würde ein Jahrtausend vergehen, bevor eine der anderen sich so weit näherte, daß man sie mit bloßem Auge sehen könnte.
    Wir alle meinen das Bild, das eine Reise im Weltraum bietet, genau zu kennen. Wir gewöhnen uns seit frühester Jugend daran und wissen von dem abgrundtiefen Dunkel und der eisigen Leere. Die Flugsicherheit, die Leistungsfähigkeit der Raumschiffe, der ständige Anblick des schwarzen Himmels hinter den Fenstern der Raketen – all das wurde uns vertraut. Wir richteten nun unser Augenmerk viel mehr auf die Planeten, die für den Reisenden in der Leere des Raumes das gleiche sind wie die Landschaften, Berge, Wälder, Flüsse und Seen für den Reisenden auf der Erde. Die Planeten verleihen dem Bild des Raumes eine zwar geringe, aber merkliche Abwechslung. Und das bedeutet schon sehr viel.
    Der eine Planet wird scheinbar größer, der andere kleiner; die Planeten und die Monde treten in verschiedene Phasen ein, wandern vor dem unbeweglichen Hintergrund der Sterne weiter auf ihrer Bahn. Auf diese Weise überzeugt man sich selbst von der bereits zurückgelegten Wegstrecke. Überdies hat man, was auf der Erde nicht möglich ist, nicht nur den Ort des Abfluges, sondern auch das Reiseziel stets vor Augen.
    Aus der Geschichte der Astronautik kennen wir die Angst, die die Weltraumreisenden befiel, wenn sich die Erde hinter einem Himmelskörper verbarg. Mancher junge Mensch hält diese Bekenntnisse heute für ein Zeichen von Schwäche. Was bedeutet schon, so urteilen sie, für den Weltraumschiffer der kleine bläuliche Fleck, auf dem man aus einer Entfernung von Millionen Kilometern nicht einmal die Umrisse der Kontinente und der Ozeane erkennt. Wie die alten Astronauten sich überzeugen mußten, daß der interplanetare Raum etwas ganz anderes ist als der irdische, so mußten auch wir, die Menschen an Bord der Gea, die einfache, aber schwerwiegende Wahrheit erfahren, daß eine kurze Reise in den Raum in nichts einem jahrelangen Flug in das Weltall gleicht.
    Wie ich bereits erwähnte, flog die Gea nicht von Anfang an in der Richtung des galaktischen Südpols, sondern durchmaß unser Sonnensystem in der Ebene der Ekliptik. Wir durchquerten also die Zone der kleinen Planeten, in der viele Tausende Asteroiden und Bruchstücke um die Sonne wirbeln, und kreuzten die Bahnen zahlreicher Kometen der Jupiterfamilie, die als schwarze Kurven auf den Himmelskarten verzeichnet sind. Der Riese Jupiter hat sie durch die Macht seines weitreichenden Gravitationsfeldes eingefangen und zu seinen Sklaven gemacht. Ständig verändert er ihre Bahnen, und schließlich vertreibt er sie entweder aus unserem Sonnensystem, oder erzwingt sie in eine feste Bahn. Auf dem Flug durch das innere Sonnensystem mußte sich die Gea ihren Weg durch das Gewimmel der

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