Gast im Weltraum
warten mußte – ein Zustand, der uns unsinnig scheint, wenn man bedenkt, daß die Menschen damals schon über die technischen Mittel verfügten, die ihnen gestatteten, diese alles erschwerende Situation gründlich zu ändern.
Trotzdem wurde die Diskrepanz zwischen den archaischen Formen der Konservierung menschlichen Wissens und seinem neuen Gehalt bis Mitte des dritten Jahrtausends noch schärfer. Erst im Jahre 2531 wurde auf einem Weltkongreß der hervorragendsten Spezialisten eine völlig neue Art der Verewigung menschlichen Wissens und Denkens festgelegt.
Man bediente sich der längst entdeckten, bis dahin aber nur in der Technik verwendeten Trione. Die Trione sind Quarzkristalle, deren Molekularstruktur durch die Einwirkung elektrischer Schwingungen ständig verändert werden kann. Ein solcher Kristall, nicht größer als ein Sandkörnchen, vermag den Inhalt einer ganzen Enzyklopädie zu fassen. Die Reform beschränkte sich indessen nicht darauf, die Art der Aufbewahrung schöngeistiger und wissenschaftlicher Werke grundsätzlich umzugestalten. Entscheidend war die Einführung einer qualitativ neuen Methode der Verwendung von Trionen. Eine zentrale Trionenbibliothek für die ganze Erde wurde geschaffen, in der ohne Ausnahme alle Früchte geistiger Art gesammelt und aufbewahrt werden. Besonders mühevoll war es, alle aus den alten Kulturen stammenden Werke in die Weltsprache zu übersetzen, damit auch sie in der Trionenbibliothek vollständig vorhanden und für jeden zugänglich waren. Diese gigantische Sammlung aller geistigen Schöpfungen der Menschheit besitzt eine technische Einrichtung, die es allen Bewohnern der Erde ermöglicht, rasch und ohne Schwierigkeit jede Information zu erhalten, die in den Milliarden Kristallen aufbewahrt wird. Man braucht dazu ein einfaches Fernsehgerät. Wir benutzen es heute, ohne über die Leistungsfähigkeit, den Nutzeffekt und das Ausmaß dieses ungeheuren, unsichtbaren Informationsnetzes, das den ganzen Erdball umspannt, nachzudenken. Wie oft hat jeder von uns, in seinem Arbeitszimmer in Australien oder in einem der Mondlaboratorien, nach dem Taschenempfänger gegriffen, die Zentrale der Bibliothek angerufen und das gewünschte Werk angefordert‚ um es bereits eine Sekunde später im Fernsehschirm vor sich zu haben. Keiner von uns überlegt, daß es nur der Vollkommenheit dieser Einrichtungen zu danken ist, wenn beliebig viele Interessenten jeden Trion gleichzeitig benutzen können, ohne einander auch nur im geringsten zu stören.
In den ersten Jahrhunderten nach dieser Reform gab es noch Buchsammlungen, die das Privateigentum einzelner Gelehrter waren. Das ist zweifellos der Beweis für das Vorhandensein eines Konservatismus, der ihnen einredete, daß man einen papierenen Band, der auf dem Bücherregal im Zimmer steht, rascher zur Hand hat als einen Trion in der vielleicht tausend Kilometer entfernten Zentralbibliothek. Es gibt nichts Irrigeres als eine solche Ansicht. Um ein Buch zu benutzen, muß man aufstehen, an das Regal oder den Bücherschrank gehen und das gewünschte Werk auswählen. All das dauert wenigstens einige Sekunden. Von dem Anruf in der Trionenbibliothek und der Angabe des Kennwortes bis zu dem Augenblick, in dem das verlangte Werk auf dem Bildschirm erscheint, vergeht nur so viel Zeit, wie die Automaten in der Katalogzentrale und die Radiowellen benötigen, um den Raum zu überbrücken, der die Bibliothek von dem Anrufenden trennt. Das sind gewöhnlich nur Bruchteile einer Sekunde.
Ein Trion vermag nicht nur Fotografien von Buchseiten, Karten, Bildern, Diagrammen, Tabellen – kurz, von all dem, was man in einer Form dem Blick zugänglich machen kann, die ein Ablesen ermöglicht – zu speichern, sondern es ist auch imstande, Töne – also menschliche Laute und Musik – naturgetreu aufzunehmen und wiederzugeben. Es besteht sogar eine Methode, Gerüche festzuhalten. Mit einem Wort, jede sinnlich wahrnehmbare Erscheinung kann im Trion fixiert und auf Anforderung dem Empfänger mitgeteilt werden. Darüber hinaus kann ein Trion Produktionsvorschriften enthalten: Ein Automat, der mit ihm durch Radiowellen verbunden ist, fertigt einen bestimmten gewünschten Gegenstand an. Auf diese Weise ist es möglich, selbst das Gelüst eines Phantasten zu befriedigen, der zum Beispiel altertümliche Möbel oder außergewöhnliche Kleider haben möchte. Unser Fernsehen ist im Gegensatz zu dem Fernsehen im Mittelalter plastisch und farbig. Es vermittelt ein
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