Gast im Weltraum
wirklichkeitsgetreues Bild, und der Mensch, der vor dem Fernsehempfänger sitzt, kommt gar nicht auf den Gedanken, daß der betrachtete Gegenstand zwar in der Form, in der er vor ihm erscheint – als gewichtiges Buch, als farbiger Stich oder als Bruchstück eines Minerals –, tatsächlich existiert, daß er aber nur ein räumliches Bild ist, entstanden im elektrischen Feld, hervorgerufen durch den Trion, den sein Befehl in Bewegung gesetzt hat.
Die Rolle der Trione wäre bereits bedeutend, wenn sie nur die unbequeme, altertümliche Aufspeicherung des Wissens beseitigten, wenn sie jedem von uns die Möglichkeit gäben, aus den Werken der Gegenwart und der Vergangenheit Nutzen zu ziehen, Theaterstücke, Sinfonien, Dichtungen zu hören, an allen Schätzen der Kultur teilzuhaben, und wenn sie nur dazu beitrügen; das Verteilungssystem der Konsumtionsgüter zu vereinfachen. Aber sie erwiesen sich als weit bedeutsamer; denn sie leiteten eine Ära psychischer Wandlungen ein, die sich die ersten Reformatoren nicht hätten träumen lassen.
Das Problem des Einmaligen bereitete den Theoretikern der kommunistischen Gesellschaft in ihrer frühen Entwicklungsphase schwere Sorgen. Der Grundsatz „Jedem nach seinen Bedürfnissen“ schien in diesem einen Fall nicht realisierbar. Auf der Erde gab es nämlich Dinge, die nur in wenigen oder einzelnen Exemplaren existierten, zum Beispiel Gemälde berühmter Meister, Skulpturen und ähnliche Kostbarkeiten. Es war klar: Ein solches Unikat konnte entweder nur einem Menschen gehören, oder man mußte es als gesellschaftliches Eigentum allen zugänglich machen. Natürlich beschritt man den Weg der Sozialisierung. Aber damit waren nicht alle einverstanden. Gewiß war es möglich, naturgetreue Kopien anzufertigen und zu vervielfältigen. Sie waren und blieben aber Kopien. Der von früheren Gesellschaftsformen übernommene Begriff des Eigentums trieb die sonderbarsten Blüten. Eine war die sogenannte Sammelmanie: Die Leute, die von ihr befallen wurden, sammelten die verschiedensten Gegenstände, von Kunstwerken über Münzen bis zu getrockneten Pflanzen. Das war also eine der Sackgassen des komplizierten Problems „Eigentum“. Aber das war nicht die einzige Schwierigkeit. Die ständig wachsende Produktion von Gütern aller Art gestattete jedem, sich mit allem zu versorgen, was er wünschte, ganz gleich, ob er diese Dinge tatsächlich benötigte oder ob sie lediglich seinen „Besitzhunger“ stillen sollten. Diese Freude, die allein der Tatsache entsprang, „etwas zu besitzen“, scheint uns sinnlos, ja geradezu lächerlich; aber damals gebar sie viele Probleme, die schwer zu lösen waren. Man behauptete zum Beispiel allen Ernstes, künftig würde jeder so viele Sachen haben, daß über die Automaten, denen die Wartung und Pflege dieses Eigentums oblag, andere Automaten die Aufsicht führen müßten, über diese wieder andere und so weiter. Das war ein neuer, grotesker Aspekt einer von den Vorfahren übernommenen konservativen psychischen Einstellung.
Die Anwendung der Trionentechnik beseitigte diese Pseudoprobleme. Wir können heute jeden Gegenstand, der existiert, durch den Trion haben, das heißt durch die Vermittlung des entsprechenden Trions. Wenn jemand das Bild des alten Meisters Leonardo da Vinci, das die Mona Lisa darstellt, haben will, so mag er es durch ein Trion übermitteln lassen, in einem Fernsehrahmen aufhängen und sich daran erfreuen, bis es ihm langweilig wird. Ein Druck auf den Schalter genügt, und es verschwindet.
Das Problem „Original“ ist kein Problem mehr, seit Quarzkristalle die Originale sind, an deren Besitz niemandem etwas liegt und liegen kann, da alles, was die Trionentechnik schafft, ein getreues Abbild der Wirklichkeit ist, bei dem man nicht von einer Kopie sprechen kann. Es weist nämlich die gleichen Strukturen auf wie das Original, ob es sich um Musikklänge, Bilder, Bücher oder etwas anderes handelt, nur mit dem Unterschied, daß es sich jederzeit erneuern oder entfernen läßt. Es ist eine Art erfüllter Wünsche aus den alten Märchen. Niemand wundert sich darüber, im Gegenteil, uns kommen die Sitten und Gebräuche vergangener Zeiten sonderbar vor, weil man damals Hindernisse sah und suchte, wo es keine gab und wo keiner von uns welche sehen und suchen würde.
Der Sendebereich der Trionenzentrale erstreckt sich über unser ganzes Sonnensystem. Sogar die Passagiere der Raumschiffe, die die Jupiterbahn erreicht haben, können sich noch mit
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