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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ihr in Verbindung setzen. Allerdings vergeht vom Augenblick des Anrufes bis zum Erscheinen der verlangten Sache desto mehr Zeit, je weiter das Schiff von der Erde entfernt ist.
    Auch die Gea empfing auf ihrem Flug zu den Sternen ununterbrochen einen mächtigen Strom von Trionensendungen. Die Zeitspanne zwischen dem gefunkten Signal und der Antwort wurde aber von Tag zu Tag größer. Als wir auf ein angefordertes Werk bereits zwölf Stunden warten mußten, wurde die Benutzung der Trionenzentrale der Erde für uns praktisch wertlos. Nun trat der große, von allen mit Spannung erwartete Augenblick ein, in dem auf die Trione des Schiffes umgeschaltet werden mußte.
    Die Gea war das erste Raumschiff der Erde, das mit einem eigenen Trionenarchiv ausgestattet war. Natürlich war es nur eine Auswahl, trotzdem verfügte unsere Trionenbibliothek über ungefähr eine halbe Milliarde Trione. Unsere Fernsehempfänger sollten in der Mittagsstunde des hundertsten Reisetages auf die Schiffszentrale umgeschaltet werden. Punkt zwölf Uhr gab der Erste Astrogator von der Steuerzentrale aus das Zeichen, und die Trionenbibliothek unseres Schiffes wurde in Betrieb genommen. Nun waren wir von den Sendungen der Erde abgeschnitten. Natürlich pulste der Strom von Funkmeldungen zwischen der Gea und der Erde weiter. Mächtige Sendeanlagen gewährleisteten eine Verbindung bis ans Ziel unseres Fluges. Die Übertragung der Nachrichten dauerte aber immer länger. Anfangs waren es Tage. Wir lächelten und unterhielten uns darüber, daß die Zeiten der sogenannten Post wiederkehrten, die mehrere Erdentage brauchte, um Nachrichten von einem Menschen zum anderen zu übermitteln. Dann lagen Wochen und Monate zwischen uns und der Erde. Die Radiowellen, die mit Lichtgeschwindigkeit den Raum durcheilen, mußten immer größere Entfernungen überwinden, bevor sie von der Erde zu uns oder von der Gea zur Erde gelangten. Mit der zunehmenden Entfernung wuchs unsere Einsamkeit mitten unter den Sternen.
    Das Leben an Bord der Gea nahm bestimmte, geregelte Formen an. Es bildeten sich sogar örtliche Traditionen und Gewohnheiten heraus. Unser Organismus gewöhnte sich an einen etwas rascheren Rhythmus von Schlafen und Wachen. Der Tag währt auf der Gea zehn Stunden, ebenso lang ist die Nacht.
    Die Tage vergehen, einer gleicht dem anderen. Die Kollektive in den Laboratorien arbeiten gewöhnlich sechs bis sieben Stunden. Die Rahmenpläne sehen zwar eine fünfstündige Beschäftigung vor, aber niemand hält sie ein. Als Arzt war ich von der Erde her noch gewohnt, den Menschen zu raten, kürzere Zeit zu arbeiten. Aber so ist es eben: Sie beklagten sich über die allzu große Arbeitslast, und wenn ich ihnen naheiegte, auszuspannen oder sich die Arbeit abnehmen zu lassen, dann waren sie beinahe beleidigt.
    ,,Nimm dir das nicht zu Herzen, Doktor, du bist noch jung und unerfahren“, tröstete mich die korpulente Frau Professor Dshakandshan, die Leiterin der Sektion Paläobotanik in der Gruppe der Biologen. „Man muß sich über etwas beklagen können, sonst kann man nicht leben.“
    Professor Dshakandshan erschien fast täglich im Ambulatorium – halb als Patientin, obwohl ihr im Grunde nichts fehlte, halb als Gast – und unterrichtete mich über den neuesten Bordklatsch. Solche „Kranken“ tauchten in meiner täglichen Sprechstunde immer häufiger auf. Manchmal hatte ich den Eindruck, daß sie mir eine Freude bereiten und durch ihr Kommen beweisen wollten, wie wichtig und notwendig meine Anwesenheit auf dem Schiff sei. In der Meinung, damit ihre Pflicht und Schuldigkeit mir gegenüber getan zu haben, hörten sie aufmerksam meine Ratschläge und Vorschriften an und verschwanden für immer. Anders verhielt es sich mit Frau Dshakandshan. Eines Tages erzählte sie mir ein Geschichtchen von einem Kollegen, einem jungen Botaniker, der in Mila Grotrian verliebt war. Das Mädel war auf der Erde häufig mit ihm spazierengegangen, und er klassifizierte und erklärte ihr jedes Gewächs, das an ihrem Wege stand. Wenn sie zum Beispiel in einem Park begeistert rief: „Oh, wie schön, sieh nur dieses tiefe, saftige Grün!“, dann sagte er: „Das kommt daher, daß das Chlorophyll die grüne Farbe des Spektrums nicht absorbiert.“ Mila mußte in sieben Wochen die Ordnung der pilzartigen Pflanzen gründlich kennenlernen, deshalb ließ sie ihn kurzerhand laufen.
    Auch über Goobar hörte ich von Frau Dshakandshan einige interessante Einzelheiten. Wie alle anderen, sprach sie

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