Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
Idee Nonnas an.
    „Wie gefällt euch das Zimmer?“ fragte sie, kaum daß wir eingetreten waren. „Blendend“, rief Tembhara und verdeckte die Augen mit der Hand. Der Mathematiker Smur fügte hinzu: „Du wohnst hier, du Ärmste?“
    Wir lachten schallend. Wahrhaftig, diese Flut von Licht, das die diamantenen Möbel und Wände ausstrahlten und das sich bei jeder Kopfbewegung in hundert Regenbogen auflöste, war auf die Dauer nicht gerade angenehm. Nonna zeigte uns ihre architektonischen Projekte. Der Entwurf eines Raketenbahnhofs in Gestalt eines durchschnittenen Hyperboloids mit zweihundert Meter hohen silbernen Säulen, die senkrechten Flügeln ähnelten, rief eine lebhafte Diskussion hervor. Mir gefiel er. „Zu schön“, meinte Ter Haar. „Hältst du die Kapitelle in der Höhe des vierzigsten Stockwerks für notwendig? Glaubst du vielleicht, die Menschen laufen mit hochgereckten Köpfen zu ihren Raketen?“
    „Aus der Entfernung gesehen, wirkt es und krönt das Gänze“, verteidigte Nonna ihr Projekt. Dann wandte sie sich an Ameta, der schweigend zugehört hatte. „Was sagst du dazu, Pilot?“
    „Die Zeichnung gefällt mir. Ich würde sie mir sogar ins Zimmer hängen. Aber als Raketenbahnhof – nein.“
    „Weshalb nicht?“
    „Weil diese senkrechten silbernen Streifen die Passagiere blenden. Hast du nicht daran gedacht?“ Nonna betrachtete nachdenklich die Skizze und zerriß sie.
    „Er hat recht“, antwortete sie auf unsere Protestrufe. „Es lohnt nicht, darüber zu sprechen.“
    Die Tür öffnete sich. Der Pilot Yeryoga stand auf der Schwelle. Er hatte die schönste Baßstimme, die ich jemals gehört habe. Deshalb wurde er überall eingeladen; aber er ging nur dorthin, wo man, wie er sagte, ihn lieber hatte als seine Stimme. Wir hatten uns bereits auf eine ziemlich originelle Art kennengelernt. Eines Morgens erschien im Ambulatorium ein breitschultriger Mann mit hellem Haar. Er betrat das Sprechzimmer, blieb in der Mitte stehen und betrachtete mich so gründlich und aufmerksam, als wäre ich der Kranke und er der Arzt.
    „Was fehlt dir?“ erkundigte ich mich, um dieser Musterung ein Ende zu bereiten.
    „Mir? Gar nichts“, antwortete er und lächelte treuherzig. „Ich wollte nur den Mann kennenlernen, der Mehilla besiegt hat.“
    Diesmal war er sehr aufgeregt. Bevor er uns begrüßte, rief er: „Habt ihr schon gehört? Das Heliotron ist in Betrieb! Eben ist die Meldung von der Erde eingetroffen. Vor einer Stunde wurde es in Betrieb genommen!“
    „Nicht vor einer Stunde, vor einem Monat“, verbesserte Tembhara. „So groß ist jetzt die Zeitdifferenz,“
    „Ach ja, richtig!“ Yeryoga war enttäuscht. „Das ist ja unerhört! So spät erfahren wir es… Was muß da auf der Erde los gewesen sein, und wir haben nichts davon gewußt!“
    „Ungefähr das gleiche wie vor drei Jahren, als Ter Sofar seine Forschungsarbeit beendet hatte“, sagte ich. „Ihr erinnert euch doch, die Arbeit über die Photone. Einer hielt den anderen auf der Straße an und fragte, ob er nicht zufällig wisse, wann das nächste Ergebnis bekanntgegeben würde. In unserem Institut – ich war damals noch Student – sollte gerade die Ruderregatta beginnen. Da meldeten die Lautsprecher, daß Ter Sofar über seinen Lehrsatz sprechen würde. Im Nu war das Ufer menschenleer. Zwei Stunden lang schaukelten die unbemannten Boote auf dem Fluß, denn alle standen dichtgedrängt vor den Lautsprechern, um Ter Sofar zu hören.“
    Zu Mittag aßen wir im Garten, die Tische waren zwischen den Blumenbeeten aufgestellt worden. Freudig begrüßten wir diese Neuerung. Tembhara, der über einen unerschöpflichen Vorrat an historischen Anekdoten verfügte, berichtete von den Architekten des 22. Jahrhunderts, die „fliegende Städte“ projektierten, Kaskaden von Metallpalästen, die durch gigantische Propeller in der Schwebe gehalten wurden. Nonna revanchierte sich mit der Erzählung über Klausius, einen Mechanoeuristen des 24. Jahrhunderts, einen Sonderling, der mechanische Spinnen konstruierte, die mechanische Fliegen fingen.
    Nach dem Essen zog ich mich mit Schrey und Ter Haar auf die Felsen über dem Bach zurück, um ein Plauderstündchen zu halten. Auf dem Rasen in der Nähe spielten zwei Kinder, ein Junge von ungefähr sieben Jahren und ein Mädchen, das noch jünger war. Sie waren allem Anschein nach Geschwister. Beide waren dunkelblond. Ihre Haut hatte den goldbraunen Ton, den ein langer Aufenthalt in der Sonne verleiht. Das

Weitere Kostenlose Bücher