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Gast im Weltraum

Gast im Weltraum

Titel: Gast im Weltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Mädchen öffnete und schloß ihre kleine Faust vor den Augen des Bruders.
    „Du weißt ja nicht einmal, was das ist“, sagte der Junge.
    „Doch, ich weiß es: Geld!“
    „Und was ist das, Geld?“
    Das Mädel dachte so angestrengt nach, daß sich ihr Naschen krauste. „Ich habe es gewußt, aber wieder vergessen.“
    „Das sagst du immer“, antwortete der Junge herablassend. „Du hast es nicht gewußt. Geld – das ist etwas… Ach!“ Er machte eine geringschätzige Handbewegung. „Du verstehst es ja doch nicht.“
    „So sag es schon, sag es mir!“
    „Früher, das ist sehr lange her, konnte man dafür alles haben. Damals gab es solche Stellen, wo man alles dafür bekam. So… und das ist alles.“ „Was?“
    „Du verstehst es nicht? Na, siehst du, das hab ich doch gleich gewußt!“ „Und ich verstehe es doch! Gerade verstehe ich es! Für diese Blechstückchen hat man bekommen, was man wollte. Haben die Erwachsenen damals auch gespielt? Das müssen aber schöne Zeiten gewesen sein. Weißt du was? Wir werden Vater bitten, daß er uns viel solches Geld macht.“
    Der Chirurg konnte nur mit Mühe seine Heiterkeit verbergen. Er flüsterte Ter Haar zu: „Hörst du? Endlich findet sich jemand, der bedauert, daß die guten, alten Zeiten vorüber sind.“
    Der Junge blickte zu uns herüber. Schrey forderte ihn durch ein Lächeln und eine Kopfbewegung auf, herzukommen. Der Kleine näherte sich frei und ungezwungen.
    „Wie heißt du denn?“
    „Andreas.“
    „Und ich heiße Schrey. Ich bin Arzt. Und das ist Professor Ter Haar. Das trifft sich gut, denn er beschäftigt sich gerade mit den alten Zeiten, von denen du gesprochen hast. Weißt du, er kann dir viel darüber erzählen.“ Schrey blickte auf die Uhr, stand auf. faßte mich unter und fügte hinzu: „Wir verabschieden uns, denn wir müssen ins Krankenhaus gehen. Viel Vergnügen!“
    Ich fing einen verzweifelten Blick Ter Haars auf. Der gute Schrey ahnte nicht, was für einen Bärendienst er dem Historiker erwies, als er ihn mit den Kindern allein ließ.
    Als ich zwei Stunden später wieder in den Garten kam, um frische Luft zu schöpfen, da staunte ich. Ter Haar saß noch immer an derselben Stelle über dem Bach. Ich nahm neben ihm Platz und hörte zu, was er dem Jungen über die Geschichte der Zeit vor Tausenden Jahren erzählte. Er schilderte, wie schwer die Menschen, an ein kleines Stück Erde gefesselt, arbeiten mußten, wie furchtbar die Kriege waren, die in einer Stunde das vernichteten, was die Menschen in Jahrhunderten aufgebaut hatten, und in welchem Überfluß die Tyrannen lebten, während ihre Untertanen verhungerten. Der Junge war ganz Ohr. Er vergaß sogar, die Haare, die ihm in die Stirn gefallen waren, zurückzustreichen. Seine Augen, die wie gebannt an den Lippen des Historikers hingen, wurden immer größer und dunkler. Sie schienen wissender und älter zu werden. Er preßte die gebräunte Hand an die Brust und blieb noch so sitzen, als der Gelehrte längst zu sprechen aufgehört hatte. Schließlich stand der Junge auf, verbeugte sich und ging langsam, in tiefes Sinnen versunken, in den Garten. Ter Haar strahlte, daß er einen so dankbaren und gelehrigen Zuhörer gefunden hatte.
    Wir erhoben uns, spazierten durch den Park und lauschten den Liedern einiger sangesfreudiger Gruppen. Die Dämmerung senkte sich herab. Der unechte, aber doch so schöne Erdenmond versilberte die Bäume.
    Plötzlich tauchte auf einem Seitenweg der zerzauste Haarschopf des Jungen auf. Er trat vor den Historiker hin, verbeugte sich, schluckte vor Verlegenheit und stotterte: „Verzeih, aber… aber das, was du mir erzählt hast, ist doch ein Märchen, nicht wahr?“
    Ter Haar antwortete nicht gleich. Er blickte den Jungen an. In seinen Augen, aus denen mit dem letzten Tageslicht ein Lächeln schwand, offenbarte sich auf einmal der verschämte Phantast, der schüchterne, weltfremde, einsame Mensch mit grauen Schläfen und einem Herzen voll Träumen, die ich mühelos erriet. Die Worte, mit denen er gleich darauf sein besseres Wissen verleugnete, bestätigten meine Vermutung. „Ja“, sagte er, „es war nur ein Märchen.“ Eine Woche nachdem die Bordtrione in Betrieb genommen worden waren, wurden gewisse Leute unsichtbar. Als erste blieben die Astrogatoren dem Mittagessen fern, dann kamen auch einige Physiker nicht mehr in den Garten. Den Konstrukteuren Uteneut und Yrjöla begegnete man nirgends, als wären sie nicht mehr an Bord, Niemand achtete darauf,

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