Gaunts Geister - Band 1-3
wenig über jeden
zu wissen. Ein privater Scherz hier, ein gemeinsames Interesse dort. Oktars
Methode, erprobt und getestet, mochte der Imperator seiner Seele gnädig sein.
Gaunt versuchte sich im Vorbeigehen jedes schlammverschmierte, lächelnde
Gesicht einzuprägen. Er wusste, seine Seele würde verdammt sein an dem Tag,
wenn man ihm mitteilen würde, dieser oder jener Soldat sei gefallen, und er sich
nicht an das Gesicht des Mannes erinnern konnte. »Die Toten werden dich immer
heimsuchen«, hatte Oktar zu ihm gesagt, »also sorge dafür, dass die Geister
freundlich gestimmt sind.« Hätte Oktar doch nur gewusst, in welch wörtlichem
Sinn dieser Rat zutraf!
Gaunt blieb am Rand eines
Entwässerungsgrabens stehen und lächelte bei sich angesichts dieser Erinnerung.
Auf der anderen Seite vertrieben sich ein paar Soldaten die dienstfreie Zeit,
indem sie mit einem zu einer Kugel geformten Sack mit Schlamm spielten.
Der Ball flog ihm entgegen, und
er schoss ihn mit der Stiefelspitze zurück. Sollten sie ihren Spaß haben,
solange es noch ging.
Wie viele würden morgen noch am
Leben sein, um das Spiel fortzusetzen?
Ja, wie viele? Es gab Verluste
und wieder Verluste. Manche waren die Sache wert, manche waren furchtbar und manche
ganz einfach unnötig. Trotzdem umwölkten die Erinnerungen in diesen
schleichenden Stunden des Wartens seinen Verstand. Er betete zum Imperator,
dass seine Verluste an tapferen Soldaten nie wieder so groß, so massenhaft und
so sinnlos sein würden wie an dem Tag auf Voltemand vor einem Jahr ...
ZWEI
Eine Feuertaufe
Sie waren gute zwei Stunden
zwischen den schwarzen Stämmen der Sumpfwälder von Voltemand unterwegs, zwei
Stunden, in denen die Ketten den dreckigen Schlamm aufwühlten und das Dröhnen
der Motoren vom widerlichen Blätterdach über ihnen zurückgeworfen wurde, als Oberst
Ortiz den Tod sah.
Er war rot gekleidet, stand
zwischen den Bäumen rechts von der Fahrspur ganz offen und reglos da und
beobachtete seine Kolonne von Basilisken bei ihrer Fahrt durch den Schlamm. Es
war der Mangel an Bewegung, der Ortiz frösteln ließ. Er musste zweimal
hinschauen und sah die Gestalt erst, als sie schon fast daran vorbei waren,
ohne zu realisieren, was sie war.
Annähernd doppelt so groß wie
ein Mensch, Furcht erregend breit, eine Rüstung von der Farbe geronnenen Bluts,
die in einem zurückgebogenen Messinggeweih auslief. Das Gesicht war ein wie
gemeißelt wirkender Totenschädel. Ein Dämon. Ein Chaos-Krieger.
Ein World Eater .
Ortiz' Blick irrte zu ihm
zurück und spürte, wie ihm das Blut in den Adern gefror. Er tastete nach seinem
Kom-Sprechgerät.
»Alarm! Alarm! Hinterhalt von
rechts!«, brüllte er hinein.
Kupplungen knirschten, Getriebe
jaulten, hundert Tonnen motorisierten Stahls bebten, schlitterten und rutschten
über den schlammigen Weg, eingeengt, gefangen, zu behäbig, um rasch reagieren
zu können.
Mittlerweile war Bewegung in
den Chaos Marine gekommen.
Das galt auch für seine sechs
Kameraden, die aus dem Wald aufgetaucht waren.
In Ortiz' Kolonne brach Panik
aus. Die zehn Fahrzeuge starke Vorhut einer massiven Streitmacht aus achtzig mit
Flamme und Feder bemalten Basilisken-Panzern der »Schlangen«, des 17.
Ketzok-Panzerregiments, das den direkten Vorstoß des 50. Königlich Volponer
Regiments, der sogenannten »Blaublüter«, unterstützen sollte. Das Ketzok hatte
die Feuerkraft, eine Stadt einzuäschern, aber hier auf dem gewundenen Pfad in
dichtem Unterholz, ohne Raum zu wenden und zu kreuzen und mit monströsen Feinden
im Genick, die viel zu nahe waren, um die Hauptgeschütze einsetzen zu können,
war es praktisch hilflos.
Panik erfasste die lange
Kolonne und breitete sich wie in Wellen aus. Ortiz hörte Baumstämme bersten,
als einige Kommandeure versuchten, ihre Panzer vom Weg zu fahren.
Die World Eater fingen beim
Vorrücken an zu bellen. Sie entrangen ihren verstärkten Kehlen tiefe, unmenschliche
Laute, die über den Fahrweg hallten und das Metall der Panzer erzittern ließ.
Sie heulten den Namen der
verfluchten Scheußlichkeit, die sie anbeteten.
»Nur die kleinen Waffen!«,
befahl Ortiz. »Benutzt die Drehzapfen!« Bei seinen Worten schwenkte er bereits
die auf dem Heck seines Panzers montierte Autokanone herum und richtete sie auf
das nächste Ungeheuer.
Das Gemetzel begann. Das
tosende Husten der Flammenwerfer drang an seine Ohren, und er hörte die
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