Gaunts Geister - Band 1-3
wir wieder zurück waren, verzehrte mich die Angst. Ich
zitterte.
Ich konnte kaum sprechen.
In Braggs Tarnumhang gehüllt,
saß ich im Eingang des Quartiers.
Soldaten bewegten sich ringsum
und setzten ihre Arbeit fort. Ich fragte mich, warum sie keine Angst hatten.
Falls sie doch Angst hatten und einfach weitermachten, war das wirklich
entsetzlich.
Ich sah, wie sich Bragg mit
Corbec unterhielt und in meine Richtung zeigte. Corbec verschwand, aber kurz
darauf tauchte der junge Soldat namens Milo auf und kam zu mir.
»Oberst Corbec will, dass ich
Sie in die Krankenanstalt bringe.«
»Mir fehlt nichts.«
»Ich weiß. Aber er will Sie von
den Docs begutachten lassen. Sie hatten einen harten Tag, Herr Thuro.«
Während wir durch die
zerstörten Straßen marschierten, brach die Nacht herein. Die Sterne kamen
heraus und mühten sich, durch den Rauch zu scheinen. Hoch oben funkelte
Mondlicht auf den Rümpfen der riesigen Kriegsschiffe im tiefen Orbit.
»Wie macht ihr das?«, fragte
ich den Jungen.
»Was meinen Sie?«
»Wie sperrt ihr das alles aus?
Die Angst? Die Verwundungen? Hat man euch das bei der Grundausbildung
beigebracht?«
Milo warf mir einen
eigenartigen Blick zu.
»Wer hat gesagt, dass wir es
aussperren?«, fragte er.
»Aber ihr könnt doch nicht
...«, begann ich. »Ihr könnt doch nicht so leben. Weiterleben, meine ich,
tagein, tagaus, ständig diese Belastung, diese Furcht. Ihr müsst doch irgendwie
damit zurechtkommen. Sie aussperren.«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich habe jede Minute meines Lebens
Angst.«
»Aber wie könnt ihr so
weitermachen?«
Milo zuckte die Achseln.
»Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Wir tun es einfach. Wir tun einfach,
was man von uns verlangt. Wir sind die Imperiale Armee.«
Diese Worte habe ich nie
vergessen.
In der Krankenanstalt musste
ich vielleicht eine Stunde warten, bis sich jemand um mich kümmerte. Ein
freundlicher alter Doktor, der Mann namens Dorden, nach dem sich Corbec zuvor
erkundigt hatte, kam schließlich zu mir und erklärte, ich sei bei bester
Gesundheit. Er bot mir etwas zur Beruhigung an, doch ich lehnte ab. Ich erkundigte
mich nach Gaunt, und er sagte zu mir, ich könne zu ihm gehen und selbst sehen.
Er führte mich durch die Stationen
der Krankenanstalt. Wir kamen an den Betten von Soldaten vorbei, viele von ihnen
Geister, die in dem Krieg verwundet worden waren. Ab und zu blieb Dorden
stehen, um nach ihnen zu sehen. Er nannte mir Namen — Mkoll, Bonin, Wheln und
viele mehr, die ich wieder vergessen habe — und schilderte mir die Umstände
ihrer Verwundungen.
Ich wollte Gaunt noch einmal
sehen, bevor er starb. Jetzt, wo ich gesehen hatte, welche Sorte Männer er
hervorbrachte, wollte ich ihn selbst sehen.
Eine Gruppe von Männern und Frauen
wartete im matt erleuchteten Korridor vor seinem Zimmer, als wir eintrafen. Ein
paar Geister, doch hauptsächlich Bewohner der Vervunmakropole.
Dorden kannte sie alle. Da war
ein massiger, grimmig aussehender Grubenarbeiter, den Dorden Herr Kolea nannte,
ein einäugiger Fabrikboss in fortgeschrittenem Alter, der sich als Agun Soric
vorstellte, ein schwer verwundeter Hauptmann der Vervunwehr namens Daur, ein
wild aussehendes Bandenmädchen, das Criid genannt und von einem jungen
tanithischen Soldaten begleitet wurde.
»Warum sind sie hier?«, fragte
ich Dorden.
»Sie wollen Gaunt sehen.«
»Warum?«
»Weil sie alle vom Trostgesetz
Gebrauch machen, sie und Hunderte andere wie sie«, flüsterte Dorden. »Sie
schließen sich unserem Regiment an und kommen mit uns, möge der Gott-Imperator
ihnen helfen.«
»Warum sind sie
hierhergekommen?«
»Weil sie Gaunt nah sein
wollen. Er ist der Grund, warum sich die meisten verpflichtet haben. Sie wollen
hier sein und sehen, ob er lebt — oder ob er stirbt. Sie haben ihr Leben seiner
Sache verschrieben. Es ist ihnen wichtig.«
Die bunt gemischte Gruppe, die
vor Gaunts Zimmer Wache hielt, schien zufrieden damit zu sein, dort zu warten,
doch ich trat vor und glitt in sein Zimmer. Niemand hielt mich auf. Die
Plastekvorhänge waren zugezogen, und ich wollte sie schon beiseite schlagen,
als mir aufging dass der geliebte Kommissar-Oberst bereits Gesellschaft hatte.
Ich blieb in der Tür stehen und
lugte durch den Vorhang herein.
Ein hagerer, gefährlich
aussehender Mann im schwarzen Drillich der Tanither saß in der bläulichen Düsternis
neben Gaunts Bett. Er war ein Major. Major Rawne, wie ich später erfuhr.
Ich wusste, ich hätte nicht
dort
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