Gauß: Eine Biographie (German Edition)
Schwangerschaft ist sie «beinahe dreiviertel Jahr die personificierte pauvreté [bedauernswertes Geschöpf] gewesen … es ist wahrlich hart, alle anderthalb Jahre in dieser armen Sünderangst zu leben» [Mac: 41].
Dorothea Köppe beschwört Johannas Vitalität – «Du blühendes Mädchen …» – und muntert sie mit der Art von Galgenhumor auf, der die Freundinnen verbindet, den Männern nicht den Gefallen zu tun und zu früh zu sterben. Sie erzählt drei aktuelle Beispiele von Männern aus ihrem gemeinsamen Bekanntenkreis, deren Frauen kürzlich gestorben seien und die, anfangs untröstlich über den Verlust, in kürzester Zeit wieder geheiratet hätten: «Ich glaube beynahe, daß ein Artickel im Code Napoleon [dem neuen französischen Zivilrecht im Königreich Westphalen] es befiehlt, sich binnen einem Vierteljahre wieder zu verheyrathen … das sind Thatsachen, die nicht sehr zum Lobe der Männer sprechen» [Mac: 40 f.].
Gerade hat Carl Friedrich Gauß mit seinem «geschmeidigen Kalkül» Keplers und Newtons Himmelsmechanik auf elegante Weise verfeinert, da verliert er auch schon das Liebste, was er hat. Am 11. Oktober 1809 um acht Uhr abends stirbt Johanna Gauß an den Folgen der Geburt. Sie wird am 14. Oktober beerdigt. Johannas Mutter versorgt die Kinder, während Gauß noch am Tag der Beerdigung nach Bremen zu Wilhelm Olbers reist, «um in den Armen der Freundschaft Kräfte für das Leben zu sammeln, das jetzt nur noch als meinen drei unmündigen Kindern gehörend Werth hat» [Olb1: 442]. Auf einem von Tränen befleckten Blatt Konzeptpapier hinterlässt Gauß die Totenklage um seine Johanna:
«Siehst du geliebter Schatten meine Thränen? Du kanntest ja, solange ich dich die meine nannte, keinen Schmerz, als den meinigen, und brauchtest zu Deinem Glück Nichts, als nur mich froh zu sehen! Selige Tage! Ich armer Thor konnte ein solches Glück für ewig halten, konnte wähnen, Du einst verkörperter und jetzt wieder neu verklärter Engel seyst bestimmt, mein ganzes Leben hindurch alle die kleinlichen Bürden des Lebens mir tragen zu helfen? Womit hatte ich dich denn verdient … Ach ich war der Glückliche, dessen dunkle Pfade der Unerforschliche von deiner Gegenwart, von deiner Liebe, von deiner zärtlichsten und reinsten Liebe erhellen ließ … Mit der Sanftmut eines Engels ertrugst du meine Fehler … O du Beste, bleib meinem Geiste nahe. Laß deine selige Seelenruhe, die dir den Abschied von deinen Lieben tragen half, sich mir mittheilen, hilf mir, deiner immer würdiger zu seyn …!
Einsam schleiche ich unter den fröhlichen Menschen … Selbst der heitere Himmel macht mich nur trauriger … Du Seelige schauest nun schon die dunklen Zwecke, die durch die Zertrümmerung meines Glücks erreicht werden sollen, in Klarheit an. * … Du hattest mich so lieb. Du wolltest so gern bei mir bleiben. Ich sollte mich doch nicht zu sehr dem Gram überlassen, waren beinahe deine letzten Worte … daß deine unendliche Seelengüte mir stets recht lebendig vorschwebe, damit ich, so gut ich armer Erdensohn kann, dir nachstrebe» [Mac: 16 f.].
Bevor Gauß nach Göttingen zurückkehrt, fährt er Anfang November erstmals seit seinem Umzug wieder nach Braunschweig. Zweifellos wird er auch seine Mutter besucht haben. Er wohnt ein paar Tage bei Karl und Dorothea Köppe, in deren Haus er vor nunmehr sechseinhalb Jahren seine Johanna zum ersten Mal gesehen hat. Dorothea schenkt ihm sieben der elf Briefe, die ihr Johanna in knapp zwei Jahren aus Göttingen geschickt hat. Die anderen vier kopiert er sich. Die sieben geschenkten Briefe schreibt er in Göttingen ebenfalls ab und schickt die Kopien an Dorothea Köppe: «Es hat außer mir schwerlich jemand auf der Welt die Vortrefflichkeit der Verewigten in dem Grade gekannt, wie gerade Sie: Sie waren Zeuge unserer entstehenden Liebe, Sie können am lebendigsten in meine Seele fühlen, was ich verloren habe. Vor Ihnen konnte ich ohne Scheu meine Thränen fließen lassen, die ich hier nur der einsamen Nacht aufsparen darf» [Mac: 49].
Bald erkrankt sein Sohn Joseph schwer an Masern, doch Tochter Minna strotzt, wie immer, vor Gesundheit. Sie «ist außerordentlich an mich attachirt» [ShuI: 12], während der kleine Louis von schwacher Konstitution und ein paar Tage lang sterbenskrank gewesen ist. Am 1. März 1810 stirbt Louis nach achtstündigen Krämpfen.
In der letzten Aprilwoche ist Gauß wieder in Braunschweig zu Besuch bei seiner Mutter, Freunden und Bekannten. Aber
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