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Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauß: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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Himmels interpretiert. Im sicheren Bewusstsein, dass die Frau Hofrätin Waldeck niemand anderen lieber zum Schwiegersohn hätte als Gauß, vertraut er ihr in einem Brief seine ernsthaften Absichten an und bittet sie, ihre Tochter schonend auf einen schriftlichen Heiratsantrag vorzubereiten. Vier Wochen später liest Minna einen seltsamen Brief, der trotz Aufrichtigkeit und edler Gesinnung eine sonderbar kühle Atmosphäre erzeugt. Er schmeichelt weder ihrer Schönheit noch ihrer kostbaren Seele: «Ich ehre Sie viel zu sehr, um es Ihnen verschweigen zu wollen, daß ich Ihnen nur ein getheiltes Herz anzubieten habe, in welchem das Bild des verklärten Schattens nie erlöschen wird.» Das ist mutig. Manche Formulierungen – «bei der ernstesten Angelegenheit Ihres Lebens» – und die wechselnden Anreden, «Theuerste … Gute … Beste», haben sich schon in der Liebeserklärung an Johanna bewährt. Und so, wie er einst seine erste Braut beschworen hat, nur auf ihr eigenes Herz zu hören und nicht auf seine selbstsüchtigen Wünsche Rücksicht zu nehmen, überlässt er auch jetzt wieder einer Frau die Entscheidung, von der letztlich dann doch mit existenzieller Wucht nichts Geringeres als «das Glück meines Lebens abhängt» [Mac: 68].
    Dieses Mal muss er nicht lange auf Antwort warten. Postwendend bekommt er seinen Korb. Der Brief von Minna Waldeck ist verloren gegangen, aber aus Gaußens schriftlicher Reaktion auf ihre Absage geht hervor, dass sie den Bruch mit ihrem Verlobten noch nicht verkraftet hat und sich offensichtlich von der Gauß’schen Gemütstiefe überfordert fühlt. Zwar versichert er ihr, er sehe sein verklärtes Hanchen vor sich, wie sie freudig ihren Segen zu der neuen Verbindung gäbe, vermutlich jedoch fürchtet sie insgeheim das überlebensgroße Bild der «verewigten» Freundin. Vielleicht vermisst die Zweiundzwanzigjährige aber auch nur ein wenig Leichtigkeit, ein Anzeichen von Verliebtheit, eine Spur Esprit und Leidenschaft, ein paar artige Komplimente. Es ist alles so schwer und tiefsinnig, was der unglückliche Witwer da schreibt. Mit einfühlsamen Worten empfiehlt Gauß sich als Kavalier, der auf sie warten kann, und bittet sie schließlich: «O geliebte Freundin, vernichten Sie mich jetzt noch nicht mit dem Ausspruche, daß Sie nie im Stande seyn werden mehr für mich zu fühlen» [Mac: 70]. Wenige Tage später sind Wilhelmine Waldeck und Carl Friedrich Gauß verlobt. Die Eltern werden erheblich auf ihre Tochter eingewirkt haben. Von Gauß-Verehrer Schumacher aus Altona kommen die herzlichsten Glückwünsche und die kryptischen Sätze: «Vorzüglich werden die Damen, welche Sie kennen, very nice zu befriedigen sein, denn jede hätte Sie gar zu gern gehabt. In der That, wäre ich ein Frauenzimmer, so wüsste ich wohl wie ich mich jetzt ärgerte» [ShuI: 37]. Very nice indeed.
    Aber die in Braunschweig entstandenen Missstimmungen zwischen den Verlobten lassen sich dann wohl doch nicht so leicht aus der Welt schaffen, wie Gauß es in seinem Brief an Auguste Bosse dargestellt hat. Zurückgekehrt von der «unglücklichen Reise», kämpft Gauß im Wonnemonat Mai um seine Braut. Die Verlobung droht zu platzen wegen ihres «gesteigerten Mißtrauens gegen mich». Und schließlich schreibt der resignierte Bräutigam bereits: «Es wird mir in meinem Unglück immer ein Trost seyn, wenn ich noch etwas für Ihr Glück thun kann» [SaB]. Für zusätzliche Turbulenzen sorgt in dieser bewegten Frühlingszeit ein Schreiben aus Berlin. Bildungsreformer und Unterrichtsminister Wilhelm von Humboldt will für die neugegründete Universität der preußischen Hauptstadt die herausragendsten Köpfe seiner Zeit verpflichten. Für die mathematisch-astronomischen Wissenschaften hat er an Gauß gedacht. Offenbar ist ihm die Abneigung des Professors gegen das Dozieren bekannt, denn vorzüglich werde Gauß, sollte er sich für Berlin entscheiden, an der Königlichen Akademie der Wissenschaften forschen. Und nur falls seine Gesundheit und Muße es zuließen, so tastet sich Humboldt vor, könne er ja gelegentlich eine Vorlesung halten.
    Die Antwort an Humboldt vom 25. Mai spiegelt das Gefühlschaos wider, in das Gauß mit dieser Verlobung hineingeschlittert ist. Er versichert Humboldt, die geschilderten Arbeitsverhältnisse in Berlin entsprächen genau seinem größten Wunsch, ungestört von Nebengeschäften, sich ganz seinen Neigungen hingeben zu können. Dieser Ruf aus Berlin erreiche ihn nun aber ausgerechnet in

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