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Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauß: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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einer Phase seines Lebens, in der er diese wichtige Entscheidung nicht voreilig treffen dürfe. Familiäre Verhältnisse hielten ihn einerseits davon ab, wenngleich genau diese persönlichen Umstände schon sehr bald dazu beitragen könnten, Göttingen zu verlassen. Hat Minna signalisiert, sie könne sich ein Leben im flott expandierenden Berlin vorstellen? Oder wäre ein Wechsel nach Berlin keine schlechte Aussicht, um von einer geplatzten Verlobung Abstand zu gewinnen? Details gibt er Humboldt gegenüber nicht preis.
    Im Sommer scheint die Krise zwischen den Verlobten überstanden zu sein. Am 12. Juni schickt ihm Minna ein Billett: «Wenn ich Ihnen noch lieb noch sanft bin, o liebster Carl, schlagen Sie es mir nicht ab, kommen Sie noch diesen Abend zu mir, o Gott sagen Sie es mir selbst» [SaB]. Am 6. August, zwei Tage nach der Hochzeit, meldet der frisch Vermählte nach Bremen, dass «Ruhe, Heiterkeit und häusliches Glück in vollem Maße wieder zu mir zurückgekehrt sind» [Olb1: 452]. Gauß betont wiederholt in seinen Gesprächen mit Kollegen und Freunden, seine Motivation für wissenschaftliche Beschäftigungen stehe in unmittelbarer Beziehung zu seinem häuslichen Glück. Überdies ist die Bewilligung von 200 000 Francs im Lauf der nächsten fünf Jahre zum Weiterbau der Sternwarte eine glückliche Wendung, die mit zur Entscheidung beiträgt, in Göttingen zu bleiben. Sie mag den Groll des umworbenen Mathematikers und Astronomen auf die französischen Besatzer etwas besänftigt haben.
    Als am 29. Juli 1811 sein Sohn Eugen geboren wird, halten Freunde und Verwandte den Atem an, doch Minna übersteht die Geburt ohne Komplikationen. In dem Gesicht des Babys glaubt Gauß bereits «das ernste gesetzte Ansehen eines künftigen Mathematikers» [Olb1: 472] zu erkennen.
    Jetzt ist er wieder ganz in seinem Element. Inzwischen findet er sogar Gefallen am Dozieren, da er mit Bernhard Nicolai und Christian Ludwig Gerling zwei überaus begabte Studenten hat, die er nun mit Aufgaben betraut, die er früher nie delegiert hätte. Bald werden Steine zum Aufbau der Sternwarte angeliefert. Beim Nachmessen der «Mittagslinie» des Gebäudes stellt er auf zwölf Meter eine Abweichung von zehn Millimetern fest.
    Und selbstverständlich beobachtet er auch den Kometen, den der französische Astronom Honoré Flaugergues am 25. März 1811 entdeckt hat. Sein Schweif ist 15 Millionen Kilometer lang und bedeckt ein Viertel des Himmels. Damit gehört er zu den eindrucksvollsten Kometen des 19. Jahrhunderts. Die Koma, die neblige Hülle des Kerns, ist zwei Millionen Kilometer breit. Mit Olbers, Bessel und Schumacher diskutiert Gauß die Frage, ob der Komet aus sich selbst heraus leuchte oder ob er das Sonnenlicht reflektiere. Einen festen Kern kann er in seinem Teleskop nicht erkennen: «Es ist bloß ein verwaschenes, in der Mitte helleres, aber ganz allmählich sich verlierendes Wesen» [Olb1: 477]. 260 Tage lang ist der Flaugergues-Komet mit bloßem Auge sichtbar, bis dahin ein Rekord in der dokumentierten Kometenbeobachtung.
    Im September, als die Leuchtkraft des Kometen ihren Höhepunkt erreicht, befindet sich Gauß für einige Zeit beim Zach-Nachfolger Bernhard August von Lindenau auf der Seeberg-Sternwarte bei Gotha, sodass es zu einem Briefwechsel zwischen ihm und seiner Frau Minna kommt. Sie redet ihn mit «lieber Junge» und «guter Herzens-Junge» an und unterschreibt mit «Deine Dich über alles liebende Minna». Sie sehnt sich nach seiner Rückkehr und versichert ihm, nur in seiner Gegenwart glücklich zu sein. Nach einem Ehejahr hat sich auf den ersten Blick der Wunsch des betrübten Witwers erfüllt. Aus der angeblichen Vernunftehe zum Wohl der Kinder ist offenbar eine Liebesbeziehung geworden. Minna scheint auch eine glückliche Hand mit den beiden Kindern aus erster Ehe zu haben und bringt dem vierjährigen Joseph gerade das Pfeifen bei, weil der seinen zwei Monate alten Bruder Eugen damit beeindrucken will. Aber die Atmosphäre, die die beiden erhalten gebliebenen Briefe aus diesem zweiten Ehejahr vermitteln, ist von Nervosität geprägt. Man hat den Eindruck, sie fühle sich von der Persönlichkeit ihres Mannes, dieser Idealverkörperung von Genie und Tugend, überfordert und müsse stets von neuem um seine Liebe kämpfen. Ihre häufigen Verstimmungen müssen ihn, so fürchtet sie, kränken. Sie sei ihnen aber hilflos ausgeliefert. «Auch diese übertriebene Empfindlichkeit, ich kann nicht Herr ihrer werden … es muß

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