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Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Gauß: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauß: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Mania
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anders werden, denn bei Gott, ich fühle mich selbst höchst unglücklich dadurch. Habe nur noch Geduld guter Junge und entzieh mir deine Liebe darum nicht, es wird, es muß anders werden, mit diesem trüben Sinn mag ich nicht leben» [Mac: 73]. Es fehle ihr nicht an Willen, ihn so glücklich zu machen «wie Du es von mir erwartetest». Resigniert bittet sie den Himmel um die Kraft, die Kinder zu guten Menschen zu erziehen, «so habe ich wenigstens einen Theil meiner Bestimmung erfüllt».
    Ist das die Stimme einer Frau, die eine glückliche Ehe führt, wie mancher Gaußforscher behauptet hat? Eine gebildete Frau aus vermögender Familie befürchtet nach einem Ehejahr, dass ihre Liebe nicht genügt, um die Erwartungen ihres Mannes zu erfüllen. Der hat ja in seinem Heiratsantrag schon die Maßstäbe gesetzt: «… so bescheiden und genügsam ich sonst in meinen Ansprüchen an das Leben bin, in den engsten häuslichen Verhältnissen [kann es] keinen Mittelzustand für mich geben, so daß ich da entweder höchst glücklich oder sehr unglücklich seyn muß» [Mac: 69]. Sie selbst müsse aber a priori glücklich sein bei ihrer Entscheidung, weil sonst Gauß trotz des Glücks, sie zur Frau zu haben, wiederum unglücklich wäre. In seinem ersten Brief hat er ihr diese bedeutsame Bedingung ans Herz gelegt. Und als er nach der Braunschweig-Reise in der Verlobungszeit die chronische Verstimmung seiner Braut mit beschwichtigenden Briefen zu lösen versuchte, kam er immer wieder auf seinen Hauptsatz vom Glück zu sprechen « Ganz froh kann ich nicht seyn, als wenn Sie es auch sind» [SaB].
    So führt der Versuch, den Eschenburg’schen Tugendkanon mit den wichtigsten ethischen Postulaten von Platon bis Kant in einen Professorenhaushalt mit drei Kleinkindern einzuführen, schon gelegentlich zu idealistischen Schieflagen. Nun müssen zwei Briefe aus dem zweiten Ehejahr natürlich nicht die Stimmung des ganzen Ehelebens repräsentieren. Aber in diesem Herbst 1811 muss man sich fragen, ob Minna jedes Mal, wenn Gauß schweigt oder erstarrt, sich vorstellt, was wohl die verklärte Johanna jetzt gemacht hätte? Offenbar haben hier zwei zu Trübsinn und Melancholie neigende Partner zusammengefunden. Man möchte für Minna hoffen, dass der mit einem «sehr herrischen, rauhen und unfeinen Vater» aufgewachsene Ehemann bei seinem Streben nach einem geglückten Zusammenleben auch die Turbulenzen komplizierter zwischenmenschlicher Beziehungen auf ein menschliches Maß herunterrechnen und in seine Gleichungen für häusliches Glück integrieren kann.
    In kleinen Schritten kommt nun auch seine allgemeine Theorie vom Einfluss der Jupitermasse auf die Pallasbahn voran. Er findet neue Kunstgriffe zur bequemeren Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate, die sich auch bei schwierigen Berechnungen elliptischer Bahnen bestens bewährt. Vom April bis November 1812 unternimmt Gauß die ungeheure Anstrengung, die Beziehung zwischen Jupiter und Pallas näher zu untersuchen. In diesem Zeitraum muss er rund 800 000 Ziffern verarbeitet haben, was einem Tagesdurchschnitt von 3500 Ziffern entspricht. Das wichtigste Ergebnis teilt er am 5. Mai Bessel mit: «Die mittleren Bewegungen von Jupiter und Pallas [stehen] in dem rationalen Verhältnis von 7 : 18, was sich durch die Einwirkungen des Jupiters immer genau wieder herstellt, wie die Rotationszeit unseres Mondes» [BGB: 170]. Bis vor kurzem hat man das Chaos der unterschiedlich starken planetaren Anziehungskräfte noch für unentwirrbar gehalten. Doch nun hat Gauß zwischen den Bewegungen des massereichen Jupiters und der relativ leichten Pallas ein einfaches, ganzzahliges Verhältnis ermittelt. Während Bessel Gauß für diese Erkenntnis schon einmal eine virtuelle Krone aufsetzt, hält Olbers diese neue Mathematisierung für eine der «merkwürdigsten» seit langer Zeit im Sonnensystem gemachten Entdeckungen. Als nächstes Element will Gauß die Auswirkungen der Gravitation von Mars und Saturn auf die Umlaufbahn der Pallas untersuchen, obwohl er sie im Vergleich zur Jupitermasse für minder bedeutend hält.
    Im Mai 1812 meldet sich Olbers aus Paris und berichtet von der Begeisterung der französischen Mathematiker über die Gauß’schen Einsichten und Rechenverfahren. Allen voran der große Laplace wolle Gauß unbedingt persönlich kennenlernen. Der Freund hat sich auch schon erkundigt, wie lange die schnellste Postkutsche von Göttingen nach Paris unterwegs wäre: sensationelle acht Tage. Der

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