Gauts Geister 4 - Ehrengarde
in
den Makropolen gekämpft, und wir hatten sie schon in der ersten Phase
vollständig vernichtet. Sie hatten nicht einmal in Erwägung gezogen, sich die
Landschaft zunutze zu machen, die ihnen solche Vorteile bot.«
»Ich komme mir langsam vor wie
ein Kind im Taktik-Unterricht«, schmunzelte Woll.
»Es tut mir Leid«, sagte Gaunt.
»Ich wollte lediglich einige Standpunkte illustrieren.«
»Dass ein vom Chaos verdrehter
Feind immer unberechenbar ist?«, mutmaßte Kleopas.
»Einmal das.«
»Dass wir, weil der Feind so
unberechenbar ist, alle imperialen Taktiker jetzt auch ebenso gut aufhängen
können?«, gluckste Woll.
»Genau, Woll, zum Zweiten.«
»Dass genau das auch hier
geschieht?«, fragte Kleopas.
Gaunt nickte. »Sie wissen alle,
dass ich für Lugo nichts übrig habe. Ich habe aus persönlichen Gründen Einwände
gegen den Mann.«
»Sie brauchen sich seinetwegen
nicht zu entschuldigen«, sagte Kleopas. »Er ist ein Emporkömmling ohne jede
Erfahrung.«
»Das haben Sie gesagt, nicht
ich«, erwiderte Gaunt. »Der springende Punkt ist ... unabhängig von den Fehlern
und Schwächen unseres Marschalls ... die Chaos-Brut ist niemals berechenbar,
niemals logisch. Man kann ihre Aktionen nicht vorhersehen. Der bloße Versuch
wäre Wahnsinn. Man kann sich nur auf alle Eventualitäten vorbereiten. Meine
plumpen Beispiele sollten vor allem das illustrieren. Wenn ich in Doctrinopolis
überhaupt versagt habe, dann in der Beziehung, dass ich nicht jede Eventualität
berücksichtigt habe.«
»Ich war bei Ihnen, Gaunt. Sie
haben Befehle erhalten, die Sie daran gehindert haben, Ihre Erfahrung
auszunutzen.«
»Sehr großzügig von Ihnen.
Vielen Dank. Jedenfalls glaube ich, dass wir es jetzt und hier damit zu tun
haben. Mit einer fehlgeleiteten Erwartung Lugos, der Feind werde sich wie eine
imperiale Armee verhalten. Er glaubt, der Feind hält die Städte, bis er
unwiderruflich geschlagen ist. Das tut er aber nicht. Er glaubt, dass nur
geschlagene Überlebende nach der Schlacht fliehen. Auch das ist nicht richtig.
Ich glaube, die Infardi haben die Städte aufgegeben, als ihnen klar wurde, dass
wir die Oberhand hatten. Dann haben sie ihre Streitkräfte in voller Absicht und
wohlüberlegt in die umliegenden Gebiete zurückgezogen. Deshalb waren sie in
Bhavnager so stark.«
»Zur Hölle mit Lugo«, sagte
Woll.
»Lugo sollte auf seine
Offiziere hören, das ist alles«, bemerkte Gaunt. »Das hat Slaydo zu Slaydo
gemacht ... oder auch Solon zu Solon ... die Fähigkeit zuzuhören. Ich fürchte,
das fehlt jetzt in der Führungsspitze des Kreuzzugs, sogar bei Macaroth.«
Die Offiziere der Pardus traten
unbehaglich von einem Fuß auf den anderen.
»Keine weiteren Blasphemien
mehr von meiner Seite, meine Herren«, sagte Gaunt und entlockte damit allen ein
Lächeln. »Mein Rat ist einfach folgender: Seien Sie vorbereitet. Erwarten Sie
das Unerwartete. Der Erzfeind ist weder ein logischer noch ein berechenbarer
Gegner, aber er hat eigene Vorstellungen. Wir können sie nicht nachvollziehen,
aber wir können durchaus unter ihnen leiden, wenn sie in die Tat umgesetzt
werden.«
Er trat zurück, als Rawne,
Kolea, Varl, Hark und Stabsärztin Curth über den Vorhof zu ihnen kamen und sich
eine improvisierte Planungssitzung entspann. Curth reichte dem Kommissar-Oberst
eine Mannschaftsliste.
Zweihundertvierundzwanzig Mann
waren verwundet, dreiundsiebzig davon schwer. Curth sagte Gaunt ganz offen,
dass sie zwar alle Verwundeten transportieren könnten, mindestens achtzehn von
ihnen den Transport aber nicht länger als einen Tag überleben würden. Neun
würden überhaupt keinen Transport überleben, Punkt.
»Ihre Empfehlung, Stabsärztin?«
»Sehr einfach, Kommissar.
Keiner von ihnen wird transportiert.«
Rawne schüttelte den Kopf und
lachte trocken.
»Was sollen wir denn machen?
Sie hier lassen?«
Kolea schlug vor, einen
Brückenkopf in Bhavnager einzurichten und die Verwundeten in einem Feldlazarett
zu behandeln. In diesem Fall würden sie eine kleine Garnison zurücklassen
müssen, die anfällig für Angriffe marodierender Infardi sein würde, aber es war
die einzige Überlebenshoffnung für die Schwerverwundeten. Außerdem würde die
Ehrengarde die Treibstoffreserven Bhavnagers für die Rückfahrt benötigen.
Gaunt erkannte die Vorzüge
dieser Idee an. Er würde hundert Geister und eine kleine Panzertruppe zur
Unterstützung in Bhavnager zurücklassen, um das Treibstoffdepot und die
Verwundeten zu bewachen, während er
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