Gauts Geister 4 - Ehrengarde
Karten. Er benutzte eine umgedrehte
Munitionskiste als Tisch.
Er sah auf und bedachte Milo mit
seinem einäugigen, schiefen Grinsen.
»Er hat sich nicht gerührt«,
sagte er schlicht.
Milo wusste noch nicht recht,
was er von Soric halten sollte. Agun Soric, ein vierschrötiges, fleischiges
Fass von einem Mann, war auf Verghast Leiter einer Erzschmelzhütte gewesen und
später dann ein Guerillaführer. Obschon übergewichtig, hatte er gewaltige
Körperkräfte, ebenso wie seine gebeugte Haltung die Folge vieler Jahre harter
Arbeit als junger Mann in den Erzgruben. Und er war alt, älter als Corbec,
sogar noch älter als Doktor Dorden, dem ältesten Tanither. Er hatte dieselbe
onkelhafte Art wie Corbec, war aber irgendwie wilder, unberechenbarer und
neigte eher zu Wutausbrüchen. In der Vervunmakropole hatte er ein Auge verloren
und sowohl ein Implantat als auch eine Augenklappe abgelehnt. Er trug das wulstige
Narbengewebe mit Stolz. Milo wusste, dass die verghastitischen Geister ihn
verehrten, vielleicht sogar noch mehr als den noblen, wortkargen Gol Kolea,
aber er spürte, dass Soric tief in seinem Herzen immer noch ein Verghastit war.
Für seine Landsleute tat er alles, aber bei den Tanithern war er weniger
entgegenkommend. Für Milo verkörperte er die Minderheit sowohl unter den Verghastiten
als auch den Tanithern, welche die Kluft aufrechterhalten wollten, anstatt sie
zu schließen.
»Ich muss ihn sprechen«, sagte
Milo. Er wollte sagen, dass Major Arschloch Rawne ihm befohlen hatte, Gaunt aufzusuchen,
weil Major Arschloch Rawne keine Lust hatte, es selbst zu tun, aber es hatte
keinen Sinn, damit überhaupt erst anzufangen.
»Sie sind herzlich eingeladen«,
grinste Soric geringschätzig und zeigte auf die Innentür.
Milo sah Caffran an, der die
Achseln zuckte. »Er lässt uns nicht rein, außer wenn wir ihm das Essen bringen,
und das isst er auch nur halb. Dafür leert er reichlich von denen.« Caffran
zeigte auf die leeren Weinflaschen.
Milos Unbehagen wuchs. Er hatte
sich Sorgen gemacht, weil er Gaunt stören sollte, obwohl dieser schlechte Laune
hatte. Niemand wollte einem schlecht disponierten Imperiumskommissar gegenübertreten.
Doch nun machte er sich Sorgen um Gaunt. Er war nie ein Zecher gewesen und
immer so gefasst und selbstsicher.
Wie alle Kommissare war er dazu
geschaffen, zu inspirieren und aufzurichten.
Milo wusste, dass die Dinge
hier auf Hagia eine schlimme Wendung genommen hatten, aber jetzt befürchtete
er, sie könnten Gaunt mitgerissen haben.
»Klopft ihr oder soll ich
einfach ...«, begann Milo, indem er auf die Innentür zeigte.
Caffran wich achselzuckend
zurück, und Soric weigerte sich demonstrativ, von seinen verknickten Karten
aufzuschauen.
»Recht vielen Dank«, sagte Milo
und ging mit einem Seufzer zur Tür.
In den Gemächern dahinter war
es dunkel und still. Die Vorhänge waren zugezogen, und es roch unangenehm muffig.
Milo schlüpfte hinein.
»Kommissar?«
Er bekam keine Antwort. Er ging
weiter hinein, blind in der Düsternis, da seine Augen sich erst an die
Lichtverhältnisse gewöhnen mussten. Herumtastend stieß er gegen ein Bücherregal
und warf es mit einem Krach um.
»Wer ist da? Wer ist da,
verflucht?«
Die Wut in der Stimme ließ Milo
zusammenfahren. Gaunt stand plötzlich vor ihm, unrasiert und halb angekleidet,
die Augen grimmig und blutunterlaufen.
Er hatte seine Boltpistole auf
Milo gerichtet.
»Feth! Ich bin's, Kommissar!
Milo!«
Gaunt starrte Milo einen Moment
an, als erkenne er ihn nicht, dann wandte er sich ab und warf die Pistole auf
das Sofa. Er trug lediglich seine Stulpenstiefel und die Uniformhose, und seine
Hosenträger baumelten schlaff um die Hüften. Milo sah die riesige Narbe auf
Gaunts durchtrainiertem Bauch, die alte Wunde, die er auf Khed 1173 von Dercius
empfangen hatte.
»Du hast mich geweckt«, knurrte
Gaunt.
»Das tut mir Leid.«
Gaunt zündete mit unbeholfenen
Fingern eine Öllampe an und setzte sich auf einen Lehnstuhl. Er blätterte
hektisch in einem alten, ledergebundenen Buch und griff dabei, ohne hinzusehen,
nach einem großen Glas, das auf einem Nebentisch stand. Er trank einen
ordentlichen Schluck Wein und stellte das Glas wieder ab.
Milo trat näher. Er sah die
Stapel ungelesener militärischer Rundschreiben, die sich neben dem Stuhl
häuften. Die obersten Blätter waren in lange Streifen gerissen, und viele von
diesen Papierschnipseln dienten jetzt als Lesezeichen in dem Buch, das Gaunt
gerade las.
»Kommissar
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