Gauts Geister 4 - Ehrengarde
sah, dass weite Bereiche der Felder vernachlässigt und überwuchert waren.
Die wenigen Einheimischen, die sie sahen, hielten inne, um ihre Vorbeifahrt zu
beobachten, und hoben zum Gruß oder aus Dankbarkeit eine Hand.
Von den Infardi war nichts zu
sehen, obwohl viele von ihnen in diese Richtung geflohen waren. Die Straße und ihre
Umgebung wies Spuren von Granatbeschuss und Bombardierungen aus der Luft auf,
aber die Schäden waren alt. Der Krieg war vor Monaten kurz über diese Gegend
hinweggefegt, aber der Großteil der Auseinandersetzung um Hagia hatte sich auf
die Städte konzentriert.
Hin und wieder scheuchte der
Motorenlärm ihres Salamander Scharen bunt gefiederter Vögel aus Bäumen und
Ruheplätzen auf.
Die Bäume hatten eine satte
grüne Farbe und waren mit Epiphyten behangen, die Stämme waren hoch, krumm und
zerfurcht. Mkoll, der in den riesigen Nalwäldern im gemäßigten Klima Taniths
aufgewachsen war, kamen sie klein und dekorativ vor, wie Ziersträucher, trotz
der Tatsache, dass manche von ihnen über zwanzig Meter groß waren.
In regelmäßigen Abständen sahen
sie durch Lücken zwischen den Bäumen das Sonnenlicht auf dem Fluss glitzern.
Über eine Strecke von einem halben Kilometer, wo die Straße direkt neben dem
Ufer verlief, tuckerten sie an einer Reihe von Fischern vorbei, die ein Stück
weit in den Fluss wateten und Handnetze auswarfen. Die Fischer trugen alle
Sonnenhüte, die aus den hiesigen Weinblättern geflochten waren.
Der Fluss diktierte die
Lebensweise in den Überschwemmungs-gebieten. Die wenigen Häuser und kleinen
Siedlungen am Straßenrand, die sie passierten, waren zum Schutz vor den
jährlichen Überflutungen auf Pfählen errichtet. Außerdem kamen sie an kunstvoll
geschnitzten und bunt bemalten Kästen vorbei, die drei Meter hoch auf ebenso
mit Schnitzereien verzierten einzelnen Stelzen standen. Diese tauchten nur
selten und entweder einzeln am Straßenrand oder in kleinen Gruppen auf
Lichtungen abseits der Straße auf.
In der Stunde vor dem Mittag
fuhren sie durch ein verlassenes Dorf aus überwucherten, verwahrlosten
Pfahlbauten. Als sie um eine der schärferen Kurven in der Straße bogen, wären
sie beinahe frontal in eine Chelonherde und ihre Treiber gefahren.
Der Pardus-Fahrer stieß einen
überraschten Ruf aus, riss am Lenker und zog den Salamander halb auf eine mit Büschen
bewachsene Böschung und ins Blattwerk, wo er zu einem würdelosen Stillstand
kam. Die Chelon, insgesamt über vierzig, brüllten und grunzten unbesorgt, während
sie an ihnen vorbeitrotteten. Es waren die größten, die Mkoll bisher auf Hagia
gesehen hatte: die großen, glockenförmigen Panzer der massigsten und ältesten Tiere
überragten ihr Fahrzeug. Die kleinsten und jüngsten hatten blauschwarze Haut,
die wie Öl glänzte, und eine faserige, dunkle Patina auf dem Panzer, während
die Haut der älteren Tiere blasser, weniger glänzend und mit Furchen und
Sprüngen durchsetzt war und der gewaltige Panzer einen kalkweißen Farbton
hatte. Ein Dunsttrockener, erdiger Tiergerüche ging von ihnen aus: Dung, Futter
und Speichel in großen Mengen.
Die drei Treiber liefen in dem
Augenblick zum Salamander, als er zur Ruhe kam, schwenkten ihre Treiberstöcke
und stießen alarmierte Rufe aus. Alle drei waren müde, hungrige Männer in den
erdfarbenen Gewändern der landwirtschaftlichen Kaste.
Mkoll sprang nach hinten aus
dem Fahrzeug und hob die Arme, um die schnatternden Männer zu beruhigen, während
Mkvenner den Pardus-Fahrer einwies, als dieser den leichten Panzer rückwärts
aus dem Dornengestrüpp fuhr.
»Alles in Ordnung, nichts
passiert«, sagte Mkoll. Die Treiber schauten auch weiterhin unglücklich drein
und salutierten immer wieder vor den Imperialen.
»Bitte ... Wenn Sie uns helfen
wollen, sagen Sie uns, was vor uns liegt. Auf der Straße.« Mkoll zückte seine Straßenkarte
und zeigte den Männern die Route. Sie reichten die Karte unter sich hin und her
und widersprachen einander.
»Ist sehr gut«, sagte einer.
»Die Straße ist ganz frei. Wir sind diesen Monat von den hoch gelegenen Weiden
gekommen. Sie sagen, der Krieg ist vorbei. Wir sind ins Tal gekommen, weil wir
hoffen, dass die Märkte wieder aufmachen.«
»Hoffen wir das Beste«, sagte
Mkoll.
»Leute haben sich im Wald
versteckt, ganze Familien«, sagte ein anderer. Seine alte, wettergegerbte Haut
war so runzlig und zerfurcht wie die der Chelon, die er trieb. »Sie hatten
Angst vor dem Krieg. Vor dem Krieg in den Städten.
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