Gauts Geister 6 - Tödliche Mission
einem Verghaster schon seine Erinnerungen
verzeihen.« Daur benutzte absichtlich die Bezeichnung, die Meryn benutzt
hatte. »Verghaster«, nicht »Verghastiten«. Alle Tanither taten das. Für sie war
es eine Verkürzung. Für Verghastiten war es beleidigender Slang.
»Wir wissen, dass wir jetzt in ›Dem Krieg‹ kämpfen. Aber
Sie werden uns verzeihen, wenn wir dazu neigen, uns auf den Kampf zu
konzentrieren, in dem unsere Heimatmakropole geplündert und gebrandschatzt
wurde.«
Meryn zuckte die Achseln. »Und Tanith ist untergegangen.
Wir haben alle unsere Erinnerungen. Wir haben alle unsere Kriege.«
Daur runzelte die Stirn und sah weg, während ihm der
Nieselregen ins Gesicht fiel. Er mochte Meryn nicht besonders. Er war eine
offensichtliche Wahl als Truppführer gewesen, manche sagten, eine überfällige
Wahl, aber er war unangenehm hart und großspurig geworden. Manchmal erinnerte
er Daur an Caffran.
Beide Tanither waren im gleichen Alter und sogar von
gleicher Statur. Doch wo Caffran jung, eifrig und gutmütig war, war Meryn jung,
rücksichtslos und arrogant.
Colm Corbec hatte diesbezüglich eine private Theorie. Die
Theorie hieß Major Rawne. Corbec zufolge war Meryn eine Weile ein netter,
ehrlicher Junge gewesen, bis er zum Korporal befördert wurde und aufgrund der
Unwägbarkeiten der Regimentsstruktur unter Rawnes Fittiche geraten war. Rawne
war jetzt Meryns Mentor, und Meryn lernte gut. Die frische, offene Art war
verschwunden und einer verbitterten, feindseligen Einstellung gewichen. Der
Makel von Rawnes zersetzendem Einfluss, glaubte Daur. Rawne baute Meryn auf.
Inoffiziell kursierte das Gerücht, Meryn habe im Zuge des Unternehmens Larisel
einige außergewöhnlich brutale Aktionen befohlen oder selbst ausgeführt.
Larkin und Mkvenner schwiegen sich jedenfalls über ihn
aus.
Meryn war eifrig darauf bedacht gewesen, seine
Missionsziele im Rahmen von Larisel zu erfüllen und sich für eine Beförderung
zu empfehlen.
Vielleicht zu eifrig. »Gibt es schon irgendwelche
Nachrichten von der Front?«, fragte Meryn. Daur wünschte, Meryn würde gehen,
damit er noch etwas Zeit haben würde, Arcuda und Raglon ohne Publikum
aufzubauen.
»Nein«, sagte Daur. »Noch nicht.«
»Wenn es Verluste gibt, kann man sich ausrechnen, dass wir
vor morgen Abend abrücken«, sagte Meryn.
»Wenn es Verluste gibt ...«, räumte Daur ein.
Meryn machte eine sarkastische Geste in Richtung des Rauchs,
der von der Front aufstieg. »Es wird Verluste geben«, sagte er.
»Das würden Sie sich wünschen, was?«, schnauzte Daur.
»Nicht einen Moment«, sagte Meryn mit versteinerter Miene.
»Aber ich bin Realist. Das ist ein ziemlich übler Feth da
drüben. ›Der Krieg‹, wissen Sie? Jemand wird dabei zu Schaden kommen.«
Daur wollte Meryn wegschicken, doch Raglon und Arcuda
waren aufgestanden und schüttelten das Wasser aus ihren Umhängen.
»Wir gehen mal nach unseren Einheiten sehen, Herr
Hauptmann«, sagte Raglon. »Wir wollen sie auf Vordermann bringen, für alle Fälle«,
fügte Arcuda hinzu.
»Gute Idee«, sagte Daur.
Die beiden neuen Sergeanten gingen über den Damm in
Richtung Dorf und dem Turm der Kapelle St. Avigns. Als sie außer Hörweite
waren, wandte sich Daur an Meryn.
»Verstehen Sie das Konzept der Moral, Meryn?«
Meryn zuckte die Achseln.
»Diese beiden stehen kurz vor ihrem ersten Kommando im
Feld. Sie haben Angst. Sie müssen aufgebaut werden, nicht niedergemacht.«
»Dann ist es jetzt also ein Verbrechen, realistisch zu
sein, Hauptmann?«, fragte Meryn aufsässig. »Das wird auch mein erster Einsatz
als Sergeant, falls Sie sich noch erinnern.«
»Sie hatten schon ein Kommando, Meryn. In Ouranberg. Da
haben Sie sich gut geschlagen. Vielleicht sogar zu gut.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Was immer Sie mögen«, sagte Daur und ging. Er sprach ein
stummes Dankgebet, dass Meryn in einer Woche oder so wieder in Rawnes
Verantwortung fallen würde.
Aus den hinteren Schuppen der Gerberei drang ein ziemlicher
Lärm. Daur bahnte sich den Weg in eine Scheune, die nach Schweiß und Leibern
stank. Sie war gerammelt voll mit Geistern und Krassiern und einer ganzen Reihe
der rotbejackten Ostlunder.
Die Ostlunder stammten aus Kottmark, dem Land, das im
Osten an Aexegary grenzte. Sie waren ein hellhäutiger, robuster Schlag und im Durchschnitt
viel größer als die Imperialen.
Daur lugte durch die Menge der dicht gedrängten Leiber
und versuchte die Ursache des Tumults auszumachen.
»Varl«,
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