Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
GayLe Stories, Band 2: Nathanael

GayLe Stories, Band 2: Nathanael

Titel: GayLe Stories, Band 2: Nathanael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aid Mira Michaels
Vom Netzwerk:
Schicksal so ergeben haben. Schicksal, Fortune – das kommt auch von Glück, nicht nur von Pech. Nicht umsonst heißen Spielsalons in unserer Welt oftmals ´Fortune City´ oder so, das soll sicherlich nicht auf Trauer und Einsamkeit hinweisen, sondern auf Glück und Wohlstand.
    Ich habe in der Schule auch Deutsch als Kurs belegt und da haben wir erst vor kurzem gelernt, daß das deutsche Wort ´Schicksal´ aus dem Mittelhochdeutschen stammt, also aus dem Mittelalter, und sich von ´schicken´ und ´sal´ herleitet. ´Sal´ steht dabei für ´heil´ und ´heil werden´, d.h. das Schicksal ist geschickt worden, damit wir wieder heil werden können.
    Ihr Schick-Sal hat Sie bisher nur traurig gemacht und einsam, nicht aber wieder heil, wieder gesund.
    Sie haben es nicht benutzt, um daraus zu lernen, sondern nur in Selbstmitleid zu ertrinken.“
     
    Ich blickte erstaunt auf den jungen Mann.
    „Wer hat Dich geschickt, mir das zu sagen?“ fragte ich entgeistert.
    Der Junge zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß es mir gerade so in den Sinn kam. Ich glaube an vieles. Aber wenn ich an etwas nicht glaube, dann ist es eine ewige Verdammnis und eine ewige Hölle. Ich glaube an ein ewiges Leben, aber an ein Leben, das auch lebenswert ist.“
    Er stand auf und begann, im Raum auf und ab zu wandern.
    „Ich weiß es wirklich nicht, wer und ob überhaupt mich jemand geschickt hat. Aber wenn, dann muß es von der anderen Seite jemand gewesen sein, von der guten Seite, nicht aus der Hölle, in der Sie selbst seit Jahren schmoren. DIES ist Ihre Hölle!“ rief er und seine Handbewegung umfaßte den Raum und mein ganzes Haus. „Ihre ganz persönliche Hölle.
    Sie haben Sie angenommen, vielleicht weil Sie dachten und immer noch denken, Sie hätten sie verdient!“ Der Junge redete sich in Rage.
    „Sind Sie nie auf die Idee gekommen, daß niemand eine solche Hölle verdient? Daß es die Hölle Ihres Vaters ist, die Sie hier für sich übernommen haben? Daß Ihr Vater nur eine arme, kranke, alkohol- und glaubenssüchtige Figur war, eine Randfigur in Ihrem Leben, die Sie aber im letzten Moment Ihres Lebens zur Hauptfigur stilisiert haben?
    Eines Vaters, der mit sich und der Welt nur dadurch klar kam, daß er andere verfluchte, verdammte und verwünschte?“
    Er holte tief Luft und sprach dann bedeutend ruhiger:
    „Ich bin mir leider sicher, daß Ihr Vater seinen Fluch tatsächlich so gemeint hat, als er ihn aussprach. Er verachtete sie in seltener Vollkommenheit.
    Doch haben Sie sich schon einmal überlegt, ob dies nicht der Fluch eines einsamen, alten, verbitterten Mannes war, der in Ihnen eine seiner eigenen Urängste entdeckte? Wer war er schon! Ein kranker Alkoholiker mit religiösem Größenwahn und kein mächtiger Magier!
    Nur Sie, Sie schauen immer noch zu ihm herauf, als hätte er das Wort Gottes höchstpersönlich Buchstaben für Buchstaben auf die Erde gebracht!
    Wer war er denn, daß er eine solche Macht über Sie ausüben konnte und heute noch kann?“
     
    Ich war sprachlos. Das hatte ich mir noch nie erlaubt, zu denken. Und doch, was sollte ich mit all diesen Fragen anfangen? Am besten:
    „Vielleicht haben Sie Recht, Sie junger und vielleicht doch nicht so junger Mann. Doch was soll ich mit all diesen Fragen anfangen, ich habe dazu keine Antworten!“
    Er setzte sich wieder hin und überlegte eine Weile.
    In der Zwischenzeit hatte der Regen aufgehört, an die Fenster zu prasseln, die Wolkendecke riß auf und der Vollmond strahlte durch die Wolkenlücken in den Raum. Es war ganz plötzlich eine ganz andere Atmosphäre im Salon. Helles Mondlicht, begleitet von den Kerzen, deren flackerndes Licht nun keine dämonischen Schatten mehr an die Wände warfen, sondern deren gelber Lichtton für eine zarte, gemütliche, fast heitere Stimmung sorgte.
    „Ich weiß nicht, ob diese Antwort die Richtige ist. Ich bin nur ein Junge von 18 Jahren, ich habe da noch keine Erfahrung damit.
    Aber ich würde mich gegen diesen Fluch wehren. Ich würde dem Fluch einfach jede Macht über mich absprechen. Ich weiß es nicht, aber ich glaube erkannt zu haben, daß Sie es sind, der diesen Fluch aufrecht erhält; es ist weder Ihr Vater noch der Fluch selbst.
     
    Ich will nicht respektlos sein, aber SIE sind es, der dieses Gefängnis aufgebaut hat, in dem Sie leben.“
     
    Es herrschte einen Moment Schweigen im Raum, als ich von unerwarteter Seite einen leisen Applaus hörte. Unbemerkt von uns war Reverend Elias

Weitere Kostenlose Bücher