GayLe Stories, Band 2: Nathanael
auf dem Bett. Aus beiden Herzen floß Blut auf den Fußboden und vereinigte sich dort zum letzten Male zu einem kleinen See.
Ein helles Licht erschien, es kam durch die Zimmerdecke hindurch und Eduardos heilige Seele wurde empor getragen. Er lächelte mich ein letztes Mal an, dann war er verschwunden.
Auf mein helles Licht warte ich bis heute vergebens.
Mein Vater wurde nach ein paar Tagen von der Polizei im Wald aufgegriffen, vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Er ist dem Urteil entgangen. Man fand ihn eines Morgens mit dem Metallkreuz der Einzelzelle zwischen seinen Rippen.
Es dauerte einige Jahre, bis ich begriff, daß es dieses helle Licht für mich nicht geben würde. Mein Vater hatte es mit seinem Fluch unterbunden.
Onkel, Tanten und alle Mitarbeiter ernteten noch die Baumwolle dieses Jahres, teilten sich den Erlös und verließen nach Ernteende gegen Ende des Jahres die Farm. Seit dem ist niemand wieder hierher zurückgekehrt oder hat sich neu angesiedelt.
2001
Seit dem, schloß ich meine Erzählung, sitze ich hier und „lebe“ mein totes Leben ohne Hoffnung auf eine Veränderung.
Totenstille lag im Raum. Meine fünf Besucher waren meiner Geschichte gefolgt und fanden keine Worte für das mir angetane Grauen.
Nach einigen Minuten räusperte sich der Reverend Elias Brown mehrfach, bevor er mit belegter Stimme zu sprechen begann.
„Mein lieber, lieber Nathanael, Sie Gottesgeschenk. Sie sehen, wir alle hier sind sprachlos. Sprachlos ob Ihrer Ehrlichkeit und sprachlos ob Ihres Schicksals.
Wir von der holistischen Kirche kennen natürlich die alten Bibelzitate, aber wir haben nicht nur wissenschaftlich, sondern auch in unseren Herzen entschieden, daß wahre Liebe wahre Liebe ist. Egal, ob sie zwischen Mann und Frau, zwischen Frau und Frau oder zwischen Mann und Mann stattfindet.
Wir wissen auch, daß es immer noch mehr als genug kirchliche, wie auch gesellschaftliche Kreise gibt, die das anders sehen – auch heute noch, wo in Deutschland schon die ersten gesetzlichen Verbindungen zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt sind und dies selbst in den USA diskutiert wird. Abgesehen davon, daß in einigen Kirchen von Anbeginn an auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften gesegnet werden können.
Ihr Herr Vater schien also einem sehr rigorosen Glauben anzuhängen.“
Endlich fanden auch die anderen Besucher ihre Stimme wieder und plötzlich redeten alle durcheinander. Ich hatte zwar einen guten Gehörsinn, die Gabe des Verstehens eines Stimmengewirrs war mir aber nicht gegeben. Ich hörte nur den einen oder anderen Laut des Bedauerns heraus.
Langsam ebbte das Gespräch wieder ab und der Reverend übernahm wieder die Regie.
„Ich glaube, wir alle sind tief beeindruckt von Ihrem Schicksal. Wenn Sie es immer noch erlauben, würden wir gerne Ihr freundliches Angebot für eine Übernachtung annehmen. Außen ist es bereits ganz dunkel geworden“, er wies aus den getrübten Fenstern.
„Selbstverständlich steht mein Angebot noch. Wählen Sie aus, welchen Raum auch immer sie wollen. Ich hätte hier auf dieser Etage noch die beiden Zimmer anzubieten, in denen mein geliebter Eduardo und ich nächtigten, wobei ich nicht weiß, ob Ihnen das Zimmer unseres Todes nicht zu gruselig ist. Die Zimmer meines Vaters habe ich seit unserem Tod nicht mehr betreten, ich weiß also nicht, in welchem Zustand sie sind. Ich für meinen Teil habe es mir hier in diesem Salon ´gemütlich´ gemacht, soweit man bei einem Geist überhaupt von gemütlich sprechen kann.“
Nach kurzer Besprechung entschieden sich die Gäste, tatsächlich unsere beiden Zimmer zu belegen. Sie waren nach unserem Tod nur wenig verändert worden, lediglich das Blut hatte ein Angestellter entfernt und auch die Kissen und Laken waren frisch gewaschen worden. So sahen die Zimmer so aus, als würden wir noch darin leben.
Beim Gedanken daran wurde mir wieder schwer um mein Geisterherz.
Still zogen sich die Browns in die beiden Zimmer zurück. Die Eltern übernachteten zusammen mit der Tochter in meinem Zimmer, Mary Emanuel wollte in dieser Nacht auf keinen Fall alleine sein – ich kann´s ihr nicht verdenken.
Die beiden Brüder, Jeremy Jonas und John Gabriel gingen in das Zimmer unseres Todes, in das von Eduardo.
Ich blieb wie gewöhnlich in meinem Ohrensessel im Salon sitzen, Geister brauchen recht wenig Schlaf und viel Sitzen macht uns in Ermangelung eines körperlichen Gewichts auch nichts aus.
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