Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
GB84: Roman (German Edition)

GB84: Roman (German Edition)

Titel: GB84: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
Vom Netzwerk:
1984 –
Ihr habt meine Familie begraben. Ihr habt meinen Glauben begraben
– Tag 195 . Ich erwache wieder auf dem Fußboden. Ich stehe auf und trete ans Fenster. Ich schaue hinaus – da steht ein Auto. Beifahrertür offen. Im Auto sitzen Männer. Ein Mann steht am Tor – Schatten fallen über ihn. Er blickt zum Haus hinauf. Er zeigt auf das Fenster. Seine Knochen sind in der Nacht ganz weiß – Ich trete ins Dunkel zurück. In meinen eigenen Schatten. Ich drücke mich an die Wand. Ich halte den Atem an – ich höre, wie das Tor aufgeht, höre Schritte auf dem Weg – ich höre sie flüstern, widerhallen, stöhnen, schreien – Es ist dunkel. Ich schlucke und spucke aus. Ich schlucke wieder. Ich höre es an der Tür klopfen, höre den Briefschlitz klappern – Ich höre es flüstern, widerhallen, stöhnen, schreien – Es ist dunkel. Ich schließe die Augen, öffne sie, schließe sie wieder. Ich höre, wie er die Tür zu öffnen versucht. Wie er daran rüttelt. – Ich höre ihn flüstern, widerhallen, stöhnen, schreien: Martin! Steh auf, du fauler Sack. Tag 201 . Pete kommt vom Ausschuss zurück. Das ist Provokation, sagt er. Pete hat recht. Das ist das einzig richtige Wort dafür – Das Ministerium für Gesundheit und Soziales hat erklärt, dass die Zulieferer in Maltby einen Sympathiestreik führen und nicht entlassen worden sind, wie es bislang hieß. Also hat das Ministerium die Sozialleistungen eingestellt – Die Zulieferer sind wieder an die Arbeit zurückgekehrt, und das NCB hat die Männer einfach zu den Rückkehrern dazugezählt – totaler Blödsinn.

ACHTUNDZWANZIGSTE WOCHE
    Montag, 10. September – Sonntag, 16. September 1984
    Terry Winters saß in der Bar des Ellerley Hotel, Murrayfield, Edinburgh. Er rief zu Hause an. Am anderen Ende ging niemand dran. Das Telefon im leeren Flur seines leeren Hauses in Sheffield klingelte und klingelte. Terry saß an der Bar, hörte es klingeln und schaute zu, wie das Eis in seinem Wodka schmolz. Der Präsident war oben in einem Zimmer mit dem Vorsitzenden. Terry wusste nicht, warum sie sich überhaupt die Mühe machten. Der Präsident wollte gar nicht hier sein. Er war nur hier, weil der Vorsitzende auch hier war. Der Vorsitzende wollte aber auch nicht hier sein. Er war nur hier, weil die Arbeiter in den Kraftwerken es leid waren, ausgebuht und angespuckt zu werden. Der Vorsitzende war tatsächlich mit einer Tüte über dem Kopf erschienen. Der Präsident hatte ihm daraufhin professionelle Hilfe empfohlen. Der Vorsitzende hatte erwidert, er würde sich vielmehr Sorgen über die Gesundheit des Präsidenten machen. Der Präsident antwortete, der Vorsitzende bräuchte offenkundig mal Urlaub. Der Vorsitzende streckte ihm die Zunge raus. Der Präsident tat es ihm nach. Der Vorsitzende warf die Hände in die Luft. Der Präsident zwinkerte. Der Vorsitzende schlug vor, dass der Präsident die Hose fallen ließ und für Maggie die Arschbacken hinhielt. Der Präsident hatte aber nicht vor, bei der Nummer die Frau zu spielen. Er wollte, dass der Vorsitzende auf die Knie ging und seinen kleinen Arthur verwöhnte. Und das, so der Präsident, könnte dann auch auf der Titelseite jeder Zeitung im Land stehen. Als Hauptstory in den
Nine o’Clock News
, in den
News at Ten
und in
Newsnight

    »Der Vorsitzende bläst dem Präsidenten einen.«
    Dann könnten alle zurückkehren nach Sheffield, Florida, Moskau oder sonst wohin.
    Stattdessen traten beide vor die Fernsehkameras und beschimpften sich gegenseitig. Gegenüber Mikros und Kassettenrekordern verliehen sie ihrer Sorge um die körperliche und geistige Gesundheit des anderen Ausdruck.
    Terry gähnte und spielte mit dem letzten Eis in seinem Glas –
    Das Telefon in Sheffield klingelte noch immer. Der Barkeeper sah Terry an –
    Terry legte auf, trank seinen Wodka aus und ging wieder nach oben. Er klopfte an die Tür des Präsidenten. Joan öffnete. Terry trat ein.
    Der Vorsitzende hatte sich für die Nacht zurückgezogen. Der Präsident war am Telefon. Len hatte auf dem Bett des Präsidenten eine Landkarte ausgebreitet. »Wohin jetzt?« fragte Terry.
    Len blickte auf und sah zu Joan. Die antwortete: »Monk Fryston. Mal wieder.«
    »Näher an der Heimat«, meinte Terry.
    Joan nickte. Len sah wieder auf die Landkarte. Der Präsident hatte ihnen den Rücken zugekehrt und flüsterte in den Hörer.
    Paul kam mit den Tagesfaxen zurück ins Zimmer, ohne anzuklopfen. Das tat er nie. Er ließ die Faxe aufs Bett fallen, jede

Weitere Kostenlose Bücher