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GB84: Roman (German Edition)

GB84: Roman (German Edition)

Titel: GB84: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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lotst den Juden in die Suite von Lord Mac.
    Neil steht außerhalb der Suite im fünften Stock des Grand Hotels, hört die Korken knallen und die Gläser klingen. Noch mehr Flaschen werden geöffnet, noch mehr Toasts gesprochen. Neil steht draußen vor der Suite und wartet –
    Das ist seine Aufgabe, ist sie immer gewesen –
    Neil beobachtet und wartet –
    Er sieht, wie Türen sich öffnen und schließen, wartet auf Personen, die kommen und gehen –
    Auf den Zimmerservice, der die Reichen und Mächtigen bedient –
    Auf die Jungen Konservativen, die den Flur hinauf- und hinunterstolpern –
    Hosen runter, Röcke rauf. Den dunklen Flur hinauf und hinunter –
    Neil beobachtet alles und wartet darauf, dass der Sicherheitsdienst zur vollen Stunde den Flur kontrolliert –
    Jede Stunde, jede Etage, jede Stunde, jede Etage, aber nicht zu dieser Stunde, nicht in dieser Etage

    Neil schaut auf die Uhr und klopft aufs Glas. Er wartet. Es ist halb drei –
    Das Licht im Gang flackert, die Schatten an den Wänden werden länger.
    Neil öffnet die Tür zur Suite und hilft dem Juden vom Boden auf. Mit gelöster Fliege und einer Flasche in der Hand fragt der Jude: »Und was jetzt, Neil?«
    »Nun, noch ein kurzer Spaziergang am Strand und dann ins Bett, Sir«, sagt Neil.
    Der Jude nickt und versucht, sich zu konzentrieren. Er torkelt gegen die Wand. Neil hilft ihm auf und führt ihn die Treppe hinunter in die Hotelhalle.
    Der Jude grüßt die hartgesottenen Trinker in der Halle und den angrenzenden Räumen und geht hinaus.
    Neil führt ihn über das Pflaster auf die Promenade.
    Es ist nicht kalt und nicht dunkel –
    Der Mond scheint hell auf den Strand.
    Der Jude schaut hinaus aufs Meer, schwankt, hält sich an der Brüstung fest –
    Er hat Tränen in den Augen, auf den Wangen und Fingern –
    Er wischt sich das Gesicht ab, schnieft, seufzt und dreht sich zu Neil um –
    »Sie hassen mich, Neil«, sagt er. »Ich weiß es. Die wünschten sich …«
    Ein Donnern hinter ihnen, eine fürchterliche Erschütterung unter ihren Füßen

    »Was zum Teufel war denn das?« fragt der Jude. »Ein Erdbeben?«
    Neil schaut hinaus aufs schwarze Meer. Er schließt die müden Augen –
    »Nein«, flüstert er. »Eine Bombe, Sir.«
    Der Mechaniker schaut wieder auf die Uhr. Er lässt die Hunde hinten in den Ford, fährt zur Telefonzelle, stellt den Wagen ab, steigt aus und wartet. Dann schaut er wieder auf die Uhr

    Das Telefon klingelt um drei Uhr früh

    Der Mechaniker tritt in die Telefonzelle, hebt ab und lauscht

    Irische Stimmen. Betrunken, siegessicher. Dankbar, aber pleite –
    Scheiße
.
    Reden, reden, reden, reden, nichts als reden, verdammt. Terry Winters schloss die Haustür ab und ging gerade mit dem Koffer los, als Theresa mit ihren drei Kindern und dem Gepäck die Einfahrt heraufkam. Terry blieb stehen und stellte seinen Koffer ab. Er machte den Mund auf. Theresa blieb nicht stehen, steckte ihren Schlüssel ins Schloss und öffnete die Haustür –
    Am Ende der Einfahrt standen zwei Taxis.
    Christopher, Timothy und Louise standen auf der Schwelle und starrten ihren Vater an. Terry lächelte, winkte. Die Kinder winkten zurück. Theresa scheuchte die Kinder ins Haus, blickte ihren Mann an. Terry lächelte und winkte –
    Theresa schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
    Nun stand nur noch ein Taxi vor der Einfahrt –
    Der Taxifahrer drückte auf die Hupe und ließ die Hand dort liegen.
    Der Jude öffnet den Mund. Er macht sich in die Hose und rennt wie um sein Leben –
    Rennt zurück zum Grand Hotel –
    Die Vorderfront des Hotels bricht vor ihren Augen wie bei einem Erdrutsch ein –
    Etage für Etage, Zimmer für Zimmer, Ziegel für Ziegel –
    Ein langsamer, zögerlicher Erdrutsch.
    Neil holt den Juden ein, packt ihn, hält ihn fest –
    »Nein, Sir«, brüllt er, »da können Sie nichts tun!«
    Der Jude tobt, schreit in die Nacht, schreit das Hotel an –
    Der Feueralarm schrillt und schrillt –
    Das Mauerwerk stürzt ein, Zimmer für Zimmer, Stein für Stein –
    »Lassen mich los! Lassen mich los!« schreit der Jude. »Lassen mich verdammt noch mal los, Mann!«
    »Nein, Sir«, erwidert Neil. »Das kann ich nicht machen, Sir.«
    »Verflucht, Neil«, kreischt der Jude. »Ich sollte dort sein! Ich sollte da drin sein!«
    Neil umklammert den Juden, umarmt ihn, wiegt ihn –
    Er hüllt den Kopf des Juden in seine Jacke und streicht ihm über die Haare –
    Er gibt ihm einen Kuss auf den Kopf, sie schauen zu dem Hotel

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