GB84: Roman (German Edition)
von dem Besten, das Großbritannien zu bieten habe –
»Die Regierung hat diesen Streik nicht gewollt. Sie hat ihn nicht zu verantworten. Die blanke Tapferkeit der Männer, die die Bergbauindustrie am Leben halten, ist nicht hoch genug zu loben. ›Scabs‹ schimpfen sie ihre ehemaligen Arbeitskollegen – Scabs? Sie sind
Löwen
! Was für eine Tragödie, wenn ein streikender Bergmann seinen Arbeitskollegen attackiert. Sie sind ja nicht nur Mitglieder ein und derselben Gewerkschaft, der arbeitende Bergmann sichert auch noch ihrer beider Zukunft. Sich Tag für Tag den Streikposten zu stellen, erfordert ganz besonderen Mut. Ebenso viel Mut, vielleicht sogar noch mehr, bringt jedoch die Hausfrau auf, die daheimbleibt. Diese Menschen gehören zum Besten unseres Landes – genau wie unsere Polizeikräfte –, die das Recht mit einer Unabhängigkeit und Zurückhaltung aufrechterhalten, die sich vielleicht nur in diesem Land finden lassen. Sie genießen weltweite Bewunderung. Diese Regierung hat alles unternommen, um den Streik zu verhindern. Manche meinen sogar, zu viel. Wir haben den Bergleuten die größte Lohnerhöhung aller Zeiten angeboten, die höchste Investitionssumme und zum ersten Mal das Versprechen, dass kein Bergmann seine Arbeit gegen seinen Willen verliert. Und das alles trotz der Tatsache, dass die Verluste dieser Industrie höher waren als die Summe, die alle Ärzte und Zahnärzte in sämtlichen Krankenhäusern des Nationalen Gesundheitsdienstes zusammen verdienen. Bei diesem Streit geht es aber auch um das Recht jener, arbeiten zu gehen, denen ein Votum verweigert wurde. Die überwältigende Mehrheit der Gewerkschaftler, darunter auch viele streikende Bergleute, bedauert zutiefst, was da im Namen der Gewerkschaftsidee gespielt wird. Wenn der Streik vorbei ist, und eines Tages wird er das sein, müssen wir alles unternehmen, um moderate und verantwortungsvolle Gewerkschaftsarbeit zu fördern, sodass sie eines Tages wieder ihren respektierten und wertvollen Platz in unserer industriellen Lebenswirklichkeit einnehmen kann. Heute jedoch sehen wir uns einer Führung der NUM gegenüber, die weiß, dass das, was sie fordert, nicht gewährt werden kann, weder für die Bergleute noch für die Arbeiter in anderen Branchen.
Wozu also dann diese Forderungen? Warum etwas verlangen, von dem sie genau wissen, dass es nicht gewährt werden kann? Dafür kann es nur eine Erklärung geben. Sie wollen keine Einigung. Sie wollen den Streik – ansonsten hätten sie über das Angebot des National Coal Board abstimmen lassen. Tatsächlich hat ein Drittel der Bergleute eine solche Abstimmung durchgeführt und sich mit überwältigender Mehrheit für eine Annahme ausgesprochen. Was wir allerdings in diesem Land beobachtet haben, ist der Aufstieg einer organisierten revolutionären Minderheit, die gewillt ist, industrielle Zwistigkeiten anzufachen, deren eigentliches Ziel der Zusammenbruch von Recht und Ordnung und die Zerstörung der demokratischen parlamentarischen Regierung sind. Wir haben die Schlägertruppen in Grunwick gesehen und erst kürzlich die Attacke gegen Eddie Shah in Stockport, und nun erleben wir organisierte fliegende Einheiten im ganzen Land. Es hat den Anschein, als seien einige gewillt, unsere ordentlich gewählte Regierung und den Rahmen allen Rechts zu zerschlagen. Doch das Gesetz, das sie missachten, ist ein allgemeines Gut, aufrechterhalten von furchtlosen Richtern, weitergegeben über die Jahrhunderte. Es ist das Rechtswerk, das vom Parlament eines freien Volkes in Kraft gesetzt wurde. Es ist das britische Recht, das weltweit hohes Ansehen genießt. Die Nation sieht sich wohl der größten Herausforderung unserer Zeit gegenüber – dem Kampf von Extremisten gegen alle anderen. Doch wir kämpfen, wie wir es immer getan haben, für die Schwachen wie für die Starken. Für große und gute Ziele. Gegen Macht und Einfluss jener, die sich erheben, um diese Ziele anzugreifen.
Diese Regierung wird nicht schwach werden. Diese Nation wird sich der Herausforderung stellen. Die Demokratie wird überdauern!«
Die Rede ihres Lebens; des Lebens, das sie beinah verloren hätte.
Der Jude springt auf, der ganze Saal folgt. Er applaudiert mit allen anderen –
Eins. Zwei. Drei. Vier. Fünf. Sechs. Sieben. Acht
–
Acht Minuten lang.
Dem Juden strömen Tränen übers Gesicht –
Sie strömen über Berge hinweg. In Bächen –
Bäche aus Blut. Berge aus Schädeln
–
MARTIN
davor. Zehn dahinter – Brettern mit
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