GB84: Roman (German Edition)
diesmal nicht allein – Kumpel aus Maltby und Dinnington sind da – Tausend von unseren Leuten gegen tausend von denen. Und ihre Hunde. Sechs Uhr früh – Da fangen die Frauen mit ihren Trillerpfeifen an. Hört man meilenweit – Das kann nur eins bedeuten. Es geht los – der Bus ist unterwegs. Bertie, der Scab-Bus – zehn Bullenautos
ZWEIUNDDREISSIGSTE WOCHE
Montag, 8. Oktober – Sonntag, 14. Oktober
Es ist der letzte Abend der Konferenz, einer guten Konferenz. Der Innenminister hat den Präsidenten angegriffen, und alle waren gut in Form, selbst jene Minister, die den Juden nicht sonderlich interessieren.
Man sprach von der Polizei, die nicht wanke, von der Regierung, die nicht zerbreche –
Die die arbeitenden Bergleute nicht im Stich lassen würde –
Von Helden und Schurken, letzten Schlachten und aussichtslosen Unterfangen, Gewinnern und Verlierern.
Es hat stehende Ovationen gegeben für die Witwe Tams aus Shirebrook, für Bolsover Bill, Creswell Chris und Warsop Wendy –
Für Don Colby und Derek Williams, Fred Wallace und Jimmy Hearn.
Morgen wird die Premierministerin die Konferenz mit einer eigenen Rede beschließen. In London wird man wieder zu den Geschäften übergehen, alles wird wieder normal sein. Doch noch ist heute –
Die letzte Nacht der Konferenz ist jene, die der Jude am liebsten mag –
Die Nacht der Prahlerei, der diebischen Freude –
Die Gewerkschaft ist am Tag zuvor wegen Missachtung des Gerichts zu einer Geldstrafe von 200.000 Pfund verurteilt worden, der Präsident persönlich zu 1.000 Pfund. Derselbe, der auf den Stufen seiner Sheffielder Redoute stand und weiter die Anweisungen des Gerichts missachtete
–
Der Jude weiß, sie werden niemals zahlen, und er weiß, was das bedeutet –
S.I.E.G.
Diese Nacht gehört ihm. Es ist seine Nacht. Die Nacht, um herumzustolzieren und sich zu brüsten –
Der Jude blickt in seiner Suite im Grand Hotel in den Spiegel und fummelt an seiner Fliege herum –
»Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Schönste im ganzen Land?«
Neil Fontaine nimmt den weißen Frack mit den Goldepauletten aus dem Schrank, geht zum Spiegel und hilft dem Juden beim Ankleiden.
»Wie sehe ich aus, Neil«, fragt er. »Seien Sie ehrlich.«
»Distinguiert, Sir«, antwortet Neil. »Sehr distinguiert.«
Der Jude lächelt, er ist glücklich, wie verliebt. Neil hält dem Juden die Tür der Suite auf und verschließt sie dann. Heute Nacht wird Neil den Juden bewachen, aber aus sicherer, diskreter Entfernung.
Neil wartet; der Jude steigt die Treppe hinunter und taucht ein in die fröhliche Flut aus hirnlosen Hinterbänklern, wortgewandten Wählern, stumpfsinnigen Schreiberlingen –
Alle warten auf ein Zwinkern, ein Zeichen der Reichen und Mächtigen.
Der Jude geht direkt auf den Minister zu, schüttelt ihm die Hand, klopft ihm auf den Rücken –
Er gratuliert ihm zu seiner Rede und seiner Haltung. Dann geht er wieder –
»Also, ich muss schon sagen, die Kellner werden aber auch von Jahr zu Jahr impertinenter«, sagt der Minister.
Der Jude hört ihn nicht, dazu ist er zu beschäftigt. Er ist bereits zur Tür hinaus –
Er geht nach nebenan ins Metropole, in den Starlight Room.
Der Jude geht auf Edward du Cann zu, auf Sir Robin, den Haupteinpeitscher, und seine Frau, auf den Vorsitzenden der Konservativen Partei –
Mit jedem wechselt der Jude ein paar Worte.
Köpfe nach hinten geworfen, Münder geöffnet, glänzende Zähne, spitze Zungen, tote, kalte Augen.
Der Jude entdeckt Denis, in Abendgarderobe. Denis zeigt auf den weißen Frack des Juden –
»Hat hier jemand Kebab bestellt?« ruft Denis, und der Starlight Room lacht –
Auch der Jude lacht lang und laut (was sollte er auch sonst tun?) –
Denis klopft dem Juden auf den Rücken und pikst ihm in die Rippen –
Schließlich will Denis den Juden ja nur aufziehen. Nur ein wenig foppen.
Denis lädt den Juden ins Grand Hotel ein. Auf ein paar Gläser Schampus mit Lord Mac.
Denis und der Jude verlassen den Starlight Room Arm in Arm und gehen zurück ins Grand Hotel –
Der Jude liebt das Grand Hotel, wie es da zwischen den beiden Piers steht, für die Großen und die Guten, die Verruchten und die Weisen –
Heimstatt von Napoleon III und dem Herzog von Windsor, von JFK und Ronald Reagan
.
Die Premierministerin ist oben und arbeitet an ihrer morgigen Rede –
Der Jude würde gern helfen. Denis findet, der Jude habe mehr als genug getan –
Jetzt sei es an der Zeit, zu trinken. Denis
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