GB84: Roman (German Edition)

Straße abgeriegelt.
Krk-krk
. Zwei Streifenwagen an seiner Einfahrt. Behelmte Bullen vor der Tür. Alle Fenster mit Brettern vernagelt.
Scab
steht auf die Bretter geschmiert – Die Nachbarn sagen, Frau und Kinder verstecken sich – mit neuen Namen. Neuen Adressen – Er verlässt in der Früh das Haus mit einer Kapuze über dem Kopf, erzählt man sich. Ich stehe auf dem Gehweg vor dem Haus. Ich schüttle den Kopf, kann es immer noch nicht glauben. Du verdammtes, blödes Arschloch, denke ich und schüttle wieder den Kopf. In mir tobt die Wut. Ich schreie sein Haus an, weißt du eigentlich, was du damit angerichtet hast? Aber das Haus hockt einfach da. Zugenagelt, blind. Scheiß drauf – er ist tot. Für mich ist er gestorben. Für uns alle – Ich gehe nach Hause, mache die Tür auf, will das Licht einschalten – geht nicht. Sie haben mich mal wieder abgeklemmt – Ein Zettel vom E-Werk auf der Fußmatte, dazu wieder ein Brief vom NCB und einer von der TSB. Ich schiebe sie mit dem Fuß beiseite und gehe hinein, schließe die Tür und stehe im Flur – keine Möbel, nichts zu essen, kein Gas, kein Strom, keine Frau. Nichts – nicht mal ein verfluchter Ausweg. Nichts. Niemand – ich gehe nach oben und lege mich auf den Boden. Ich decke mich mit ein paar Kleidungsstücken zu. Ich schließe die Augen und bete. Bete, dass ich eines Tages aufwache und sie alle tot sind – Die Banken. Die Stromgesellschaft. Das Sozialamt. Die Bullen. MacGregor. King. Heseltine. Lawson. Ridley. Havers. Walker. Brittan. Tebbit. Thatcher – Tot, alle miteinander. Die oder ich. Tot –
Es ist dunkel. Flüstern. Echos. Alles zerfällt
– Tag 211 . Krieg. Das ist jetzt Krieg – Pete hat immer gesagt, das sei ein Bürgerkrieg. Aber daran ist überhaupt nichts mehr bürgerlich, verdammt – das ist ein Ein-Mann-Krieg. Die Kumpel wollen diesen einen Mann tot sehen. Welches Leid er über das Dorf gebracht hat! Was die Bullenschweine seinetwegen alles anstellen – selbst Kinder kriegen den Knüppel! Kumpel werden niedergedroschen. Allen wird Angst eingejagt. Die Schläge, die Keith, Chris und ich einstecken mussten – Die Tritte, die andere abgekriegt haben – Schande. Schande. Schande – Jeden Tag geht er arbeiten. Schande und Belagerung. Das ist es. Eine Belagerung – für einen Streikbrecher. Einen einzigen verdammten Scab. Niemanden sonst. Er allein – er wird den Preis für das, was er angerichtet hat, zahlen müssen. Der Preis ist Rache – Rache. Das wollen die Leute – Rache. Das wollen alle – Streikposten. Nicht-Streikposten. Bergleute. Nicht-Bergleute. Mann. Frau. Jung. Alt – Rache für das, was er getan hat. Jeder Einzelne im Dorf will das – Rache. Und die werden sie auch nehmen. So oder so – Pete hat an den Ausschuss appelliert, einen Massenstreik auszurufen. Der Ausschuss lässt sich Zeit. Die Kumpel werden ungeduldig – Einige waren drüben in Silverwood und haben ein paar Polizisten aufgelauert. Die Bullen werden sich dafür rächen wollen. Aber die Kumpel fühlen sich besser deswegen. Wenigstens nicht mehr so verdammt hilflos – sie wollen nicht länger warten. Pete weiß das. Der Ausschuss auch – Und gestern ist ein weiterer Streikbrecher aufgetaucht, hat sich dem verdammten Geoff, dem Ober-Scab, angeschlossen. Das war’s. Der Ausschuss wird dem Massenstreik zustimmen müssen – es wird so oder so dazu kommen – Am Morgen gehe ich für eine halbe Stunde in den Welfare Club. Die Stimmung ist gereizt. Die Leute klopfen mir auf die Schulter. Fragen nach Keith und Chris. Deshalb bin ich hier. Die meisten sind deshalb hier – Damen von der Action Group. Rentner. Alle – Petes Frau teilt an alle Frauen Trillerpfeifen aus. Damit sie richtig Krach schlagen können – dann werden alle wissen, dass wir hier sind und warum – Pete hat einen Plan. Er erläutert ihn. Die Kumpel hören zu – In den letzten zwei Tagen sind die Streikbrecher aus der Gegend von Brampton gekommen. Aus meiner Gegend – Ein paar fangen wieder damit an, dass die Scabs nicht mal aus dem Dorf sind. Außenstehende – Fremde. Genau wie ich – Pete unterbindet das. Er sagt uns, wohin wir gehen sollen. Streikposten von Woodhouse Green bis zur Kreuzung am Postamt. Bis zum Revier – die Bullenschweine hatten so viel Verstand, die Bude dichtzumachen. Aber das hält sie trotzdem nicht davon ab, die Hunde auf uns zu hetzen – und genau so kommt es auch. Die Hunde bellen, dazu das übliche ›Guten Morgen, ihr Wichser!‹. Zumindest sind wir