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GB84: Roman (German Edition)

GB84: Roman (German Edition)

Titel: GB84: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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senkt die gefesselten Hände vor den offenen Hosenstall und den tropfenden Schwanz
.
    »Hallo Paul«, sagt der Mechaniker. »Haben Sie mich vermisst?«
    Paul Dixon, Special Branch, schüttelt heftig den Kopf

    Er sieht seine verwitwete Frau, seine vaterlose Tochter vor sich

    »Fontaine war’s«, sagt Paul Dixon schluchzend. »Neil Fontaine.«
    Der Jude tanzt über die Perserteppiche in seiner Suite im Claridge’s. Er trägt noch immer seinen Frack, hält einen Schlummercocktail in der rechten und die morgige
Times
in der linken Hand. Er bittet Neil Fontaine darum, das Radio lauter zu drehen –
    »… you could drag me to hell and back, just as long as we’re together …«
    Neil macht das Radio lauter und mixt dem Juden einen weiteren
Screwdriver
. Neil reicht dem Juden die neuesten Fotos und den Cocktail.
    Der Jude setzt sich aufs Sofa und begutachtet die Fotos, eins nach dem anderen –
    Der Präsident spricht in Cardiff, Birmingham, Edinburgh, Newcastle
.
    Der Präsident in seinem Wagen, seinem Büro, seiner Straße, seinem Haus
.
    Der Präsident trifft sich mit dem TUC, der Labour Party, den Franzosen und den Sowjets
.
    Der Präsident spricht, flüstert, verzieht das Gesicht und blickt finster drein
.
    Der Jude legt die Fotos beiseite. »Er hat den Krieg verloren«, sagt er. Neil nickt und reicht dem Juden einen frischen Cocktail. Der Jude lächelt, lacht, dankt Neil und erhebt sein Glas.
    Das Beharren des Juden auf Unnachgiebigkeit hat sich ausgezahlt. Keiner spricht mehr von Stromsperren oder Generalstreiks –
    Mann für Mann. Haus für Haus. Straße für Straße. Dorf für Dorf. Zeche für Zeche –
    Der Jude gewinnt den Krieg –
    4.484 Rückkehrer letzte Woche; 4.982 diese Woche
.
    Er leert das Glas in einem Zug und greift sich noch weitere Berichte vom Stapel –
    Der Jude ruht nie aus, er liebt es, in den Details und Analysen zu schwelgen, von der abnehmenden Qualität der Kohlelager und der Notwendigkeit von Schließungen zu sprechen, von den Aussichten einer Privatisierung, der Geburt eines neuen Wirtschaftszweigs, der Schaffung von Wohlstand –
    Bemerkungen fallen zu lassen; Worte in dieses und jenes Ohr zu träufeln –
    In
ihr
Ohr; Worte, die Kriege entscheiden.
    Die Premierministerin gewinnt ihren Krieg, ihre vielen, vielen Kriege –
    IRA. British Leyland. Nachrichtendienst. Cammell-Laird-Werft. CND. Die
Belgrano.
Greater London Council
.
    Sie ruht nie aus.
Nie
. Sie lebt mit Schlagzeilen und Synthesen, spricht von den Gefahren für die Demokratie durch die ruchlosen wenigen, von den terroristischen Banden am einen Ende des Spektrums und von der harten Linken am anderen, von denen, die konspirieren, um mit der Gewerkschaftsmacht und dem Apparat der Ortsverwaltungen das Gesetz zu brechen, zu missachten und zu untergraben –
    So ihre Worte, Worte, die Kriege gewinnen, ihre vielen, vielen Kriege
.
    Die Premierministerin und der Jude, gemeinsam werden sie den Krieg gewinnen, all ihre Kriege. Doch der Jude weiß, noch ist viel Arbeit zu verrichten. Es gibt noch viel zu tun. Viel Schlimmes –
    Der Anblick der Streikenden im Schnee, der Kinder in der Kälte –
    Beerdigungen und Hunger im Norden; Armut und Leid.
    Der Jude weiß, es wird auch jene ohne Kraft geben, ohne Mut und Überzeugung, ohne Willen zum Sieg.
    Der Jude legt die Unterlagen beiseite und erhebt das letzte Glas vor dem Schlafengehen –
    »Jetzt ist die Zeit gekommen, uns zu wappnen«, verkündet er. »Die entscheidenden Stunden sind angebrochen. Das Spiel geht seinem Ende entgegen, Neil. Die letzte Schlacht steht bevor.«
    Die vier stiegen um fünf Uhr in den Frühzug von Sheffield nach London. Sie hatten einen Tisch in der zweiten Klasse. Die anderen Passagiere im Wagen glotzten sie an. Ein Mann warf eine Fleischpastete nach dem Präsidenten. Eine alte Frau kippte ihm eine Tasse heißen Tee über das Jackett. Der loyale Len und der Leibwächter versuchten, die Lage zu beruhigen. Joan wischte Pastete und Tee von Anzug und Schlips des Präsidenten –
    »Das wäre nicht passiert, wenn wir erster Klasse gefahren wären«, meinte Terry.
    Der Präsident klaubte sich heiße Pastete aus den Haaren und schüttelte den Kopf. »Das wäre nicht passiert«, entgegnete er, »wenn wir die erste Klasse abgeschafft hätten, Genosse.«
    Terry nickte und wischte die Zeitung mit einem Taschentuch ab. Er sah auf die Uhr –
    Der Zug hatte in London fünfzehn Minuten Verspätung. Len besorgte ihnen ein Taxi. Der Präsident, Joan, Terry und Len

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