GB84: Roman (German Edition)
Augen. Immer ein Fehler – Er tritt vor seinen Kollegen auf die Straße und verpasst mir einen kräftigen Tritt in den Arsch. Na komm schon, Schätzchen, sagt er, nimm die Beine in die Hand, verdammt. Er tritt noch ein paar Mal zu. Ich gehe einfach weiter – mit gesenktem Kopf. Komme mir dabei aber ziemlich blöd vor. Als wäre ich nur einen halben Meter groß. Alle schauen zu, wie er mich tritt – wie ein halber Meter komme ich mir vor. Jeden verdammten Tag – Tag 269 . Keith setzt mich ab. Er lacht mit mir über den Zustand meines Wagens, dann fährt er nach Hause. Zu Frau und Kindern. Er hat es schwer, aber er hat sie noch – Die Polizei kann ihn bespucken. Dumme Bemerkungen machen. Ihn rumschubsen. Ihm in den Arsch treten. Ihn jagen. Verprügeln. Ihm sogar die Zähne ausschlagen – Aber er hat Frau und Kinder. Der Glückspilz – Ich öffne die Tür. Nichts. Niemand – nur ein Exemplar der Coal News, gleich neben einem weiteren verdammten Brief von Mr. Moore von der Zeche. Dazu ein Brief von der TSB in Rotherham und einer von irgendwelchen Anwälten – die geben nie auf. Nie – Nägel und Särge. Schrauben anziehen – Verdammter Haufen. Wie eine Armee – Ich schließe die Tür und stehe im Flur – Ich schaue auf die Uhr. Es ist noch nicht mal Mittag – noch nicht mal den halben Tag geschafft. Noch lange nicht – Ich gehe in die Küche. Dahin, wo die Küche mal war – ich sehe in den Garten hinaus und zünde mir eine Zigarette an – Teure Angewohnheit, sagt sie. Ich drehe mich um, ich verliere die Nerven. Sei still, sei still, schreie ich. Sei still! Ich trete auf den Flur – hebe den Brief von Mr. Moore auf. Ich stehe mit dem Brief in der Hand da –
Ich halte mir den Splitter vors Gesicht
– Ich öffne ihn –
Er ist kalt und alt
– Ich lese den Brief –
Ich halte ihn ans Feuer
– Ich lese seine Offerte –
Ich sehe ihn zum ersten Mal
– mich zu treffen, wann immer ich will –
Ich sehe ihn, schaue genau hin
– wo immer ich will –
Ich trete zurück
– um über meine Zukunft zu reden –
Ich schaue mich um
– mein Wohlergehen und mein Glück –
Dieser Ort ist alt
– meine Sicherheit und meinen Schutz –
Dieser Ort ist kalt
– meinen Sinneswandel und meinen Seelenfrieden –
Ich erkenne den Ort. Ich sehe den Splitter genau an
– um meine Rückkehr zu arrangieren. Meine Rückkehr zur Arbeit –
Ich halte das Stück eines Schädels in der Hand, ich stehe auf einem Berg aus Schädeln
– Ich lasse den Brief auf den Stapel fallen, einen Stapel aus Erklärungen und Rechnungen. Rechnungen und letzten Forderungen –
Riesige, unzählige Haufen aus Schädeln. Die leeren Nester der Träume und Wünsche
– Forderungen und Drohungen –
Täuschungen und Verirrungen
– Ich schließe die Augen –
Ich flüstere. Ich halle wider. Ich stöhne. Ich schreie
– Ich schlage die Augen auf. Ich stehe in meinem Flur –
Unter der Erde
– Ich stöhne und schreie.
NEUNUNDDREISSIGSTE WOCHE
Montag, 26. November – Sonntag, 2. Dezember 1984
Der Mechaniker fährt zum Haus seiner Mutter in Wetherby. Er will sich für immer verabschieden. Er steigt aus
–
Trommelwirbel –
Da kommen die Hunde mit hängenden Zungen und gereckten Ruten die Einfahrt entlanggerannt. Verdammt, wie hat er seine Hunde vermisst. Die stoßen einem keinen Dolch in den Rücken. Aber sie können dir das Herz brechen. Das weiß er jetzt. Die Hunde lieben dich, und du liebst die Hunde
–
Es bricht einem das Herz, verdammt
–
Das weiß der Mechaniker jetzt. Aber nun ist es zu spät
.
Er blickt von den Hunden auf und sieht seine Mutter in der Tür stehen. Er erhebt sich
–
Sie schließt die Tür, verriegelt sie, zieht die Vorhänge zu
–
Mittag. November 1984
.
Der Mechaniker lässt die Hunde hinten in den Fiesta springen und fährt mit ihnen in den Dalby Forest. Sie stürmen heraus, und gemeinsam gehen sie durch den Wald zu der Stelle
–
Der Mechaniker gibt den Hunden einen Kuss. Dann erschießt er sie
.
Er gräbt zwei Löcher neben einem alten Dachsbau und begräbt sie neben Dixon
–
Geruch und Knochen geraten durcheinander
.
Bleib. Verdammt noch mal. Sauber –
Von allem und jedem. Von Geruch und Knochen
.
Terry Winters lehnte den Kopf an die Scheibe und starrte hinunter auf die Straße. Er wusste nicht mehr, ob die Sonne auf- oder unterging. Er war seit über zwei Tagen nicht im Bett gewesen, nahm nur Aspirin und Kaffee zu sich. Als Paul und Dick letzte Nacht das Congress House in London verlassen hatten, waren
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