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GB84: Roman (German Edition)

GB84: Roman (German Edition)

Titel: GB84: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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in seinem Gefolge. Alle rechneten mit einem schweren Winter – Ein letzter Sturm. Dann ab nach Hause – so hatte ich es mir gesagt. Ab nach Hause –
Ich halte mir einen Finger vor die Nase, aber ich sehe ihn nicht
– Mary machte Überstunden in der Fabrik, also kümmerte ich mich um Frühstück und Abwasch, bevor ich in den Welfare Club ging. Erst fanden sie und Jackie es witzig, mich in der Küche zu sehen. Dann war es nicht mehr witzig. Auch nicht, dass ich nicht mal ein paar Eier mit Speck braten konnte. Es war nur eins von diesen Zeichen, dass alles nicht mit rechten Dingen zuging. Zumindest hatte ich noch was zu kochen, da die beiden arbeiteten – die meisten hatten das nicht. Verflucht viele – Ich füllte die Frühstücksteller und trug sie ins Esszimmer. Mary hatte Schere und Klebstoff parat und schnippelte schon an der Zeitung herum, noch bevor jemand sie lesen konnte. Für ihre Ausschnittsammlung.
Die wahre Geschichte des Streiks um Arbeit
, so nannte sie sie. Drei volle Bücher schon. Das meiste davon waren Lügen, das sagte sie selbst. Verdammte Lügen, sagte sie beim Ausschneiden. Tory-Lügen. Aber unter all die Lügen, die sie ausschnitt, schrieb sie dann die Wahrheit. Zwei der Bücher waren sogar von König Arthur persönlich signiert worden – Auch eine Art, die Zeit totzuschlagen, nehme ich an. Zwischen den Nachrichten – das war irgendwie das Einzige, was wir den ganzen Tag über taten, wir warteten auf die verdammten Nachrichten. Darin ging es ums Geld – Strafen, Beschlagnahmungen. Empfänger – als wenn das das Einzige wäre, was zählte. Aber es war das Einzige, was die andere Seite interessierte – Geld – Es gab Leute im Welfare Club , die lasen drei Zeitungen am Tag. Andere klebten zu Hause vor dem Fernseher und lasen Teletext. Sonst gab es nichts zu tun. Im Augenblick nicht – Die fliegenden Streikposten waren seit Dinnington im letzten Monat ziemlich eingeschlafen. Die Ortsverbände hatten einfach nicht genug Geld, um Kumpel loszuschicken – Bei großen Kundgebungen kamen nur noch fünfhundert Mann zusammen. Die Polizei hatte das im Griff, keine Bange. Die Kumpel durften noch nicht mal Parolen rufen. Es gab Geschichten von Jungs, die Ärger bekommen hatten, nur weil sie die Streikbrecher böse angeschaut hatten. Oder die Polizei ließ alle auf den Boden starren – und manche sperrten sie ein, weil sie geniest hatten. Nur um zwei Tage bezahlten Urlaub und Erstattung der Auslagen zu kriegen, wenn es vor Gericht ging – Und wenn sie einem nichts anhängen konnten, machten sie eine Spazierfahrt und warfen einen hinten aus den Mannschaftswagen – Fallschirmtest nannten sie das. Die Mistkerle kamen ja sogar mit Mord durch – Na, jedenfalls hatten wir unsere eigene Zeche zu bestreiken. Alle machten mit. Zeche bestreiken. Kohlen klauben. Zeitung lesen und fernsehen – mehr war nicht. Und die Sorgen. Das war alles – Ich war meistens im Welfare Club, schrieb viele Briefe, erledigte Hausbesuche – Ich machte mir Gedanken um ein paar von denen, die umgefallen waren, dachte, wir hätten was tun können, um das zu verhindern. Nicht bei allen. Manche waren eben einfach so – was immer wir getan hätten, es hätte nie gereicht. Manche werden einfach so geboren. Oder ihre Frauen – Aber ein paar von ihnen waren ganz auf sich gestellt gewesen. Ein Todesfall in der Familie, oder die Frau hatte sie verlassen. Das NCB nutzte diese Schwächen aus, um sie wieder zur Arbeit zu holen. Darum führten wir eine Art Beobachtungssystem ein. Die Stammgäste im Welfare Club berichteten uns, ob irgendjemandem was zugestoßen war. Wie Lauscher an der Wand. Hatte jemand Probleme, Geld- oder Familiensorgen, ging ich hin, versuchte zu helfen. Ich erzählte ihnen von Krediten, die die Gewerkschaft geben konnte. All so was. Erst schrieb ich einen Brief, dann machte ich einen Besuch. Brachte ihnen ein Päckchen. Vor allem, wenn sie nicht im Dorf wohnten, sondern etwas abseits. Ich schrieb auch denen, die wieder zur Arbeit gegangen waren. Das hängte ich nicht an die große Glocke, denn es gab genug, die sie auf keinen Fall wieder in ihren Reihen haben wollten –
Einmal Scab, immer Scab
– so in etwa. Aber so dachten die Streikbrecher auch von sich selbst – sie hatten eine Grenze überschritten. Es gab kein Zurück – Mit einigen von ihnen telefonierte ich.

VIERZIGSTE WOCHE
    Montag, 3. Dezember – Sonntag, 9. Dezember 1984
    Sie hatten die Kontrolle verloren, über ihr Geld, über ihre Leute –
    Zwei

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