GB84: Roman (German Edition)
Schlimmeres«, bekräftigt der Vorsitzende. »Viel, viel Schlimmeres.«
Lord John wird blass. Er legt sich die Hand auf den Mund. »Was habe ich nur angerichtet?«
Der Jude geht an den Nachttisch des Lords und nimmt ein Scheckbuch heraus. »Wie viel hast du ihnen gegeben, Johnny?« fragt er. »Wie viel?«
»Ich komme mir so dumm vor«, sagt der Lord. »Dumm! Dumm!«
»Wie viel, Johnny?«
»Zehntausend? Hunderttausend?« antwortet er. »Ich kann mich nicht erinnern.«
Der Jude schlägt das Scheckbuch auf und stellt einen Scheck aus –
»Der hier lautet auf zweihundertfünfzigtausend«, erklärt er. »Unterschreib.«
»Dann wird alles gut?« fragt der Lord.
Der Jude nickt, der Vorsitzende auch. Der Jude reicht dem Lord den Stift.
»Und die Queen wird nicht mehr bei Woolworth arbeiten müssen?«
»Nein, Johnny«, beschwichtigt ihn der Jude. »Mit der Queen ist alles in Ordnung, wenn du nur unterschreibst.«
Der Lord lächelt und unterschreibt. Dann reicht er dem Juden den Scheck.
»Vielen herzlichen Dank«, sagt der Jude. »Du hast einen schlimmen Tag in einen guten verwandelt.«
Der Präsident war wegen der Anschuldigung, am 30. Mai 1984 den Highway bei Orgreave blockiert zu haben, vor dem Friedensrichter in Rotherham erschienen. Der Richter hatte ihn für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 250 Pfund verurteilt, hinzu kamen die Gerichtskosten von 750 Pfund. In der Zwischenzeit hatte die Regierung beschlossen, die gesamten Kosten zu übernehmen, die Treuhänder und Zwangsverwalter verursachten, und es waren weitere Verfahren vor dem High Court anhängig, bei denen die nationalen und regionalen Gewerkschaftsoffiziellen für die Streikausgaben persönlich haftbar gemacht werden sollten. Der Bezirk Nottinghamshire hatte zudem deutlich für eine neue Verfassung gestimmt, die eine größere Unabhängigkeit von der NUM, der Gewerkschaft der Aussätzigen, garantieren sollte –
Der Präsident hatte sich wieder eingeschlossen und rührte kein Essen an.
Len Glover trat ohne anzuklopfen in Terrys Büro –
Terry saß unter dem Porträt des Präsidenten und blickte auf –
Der loyale Len hatte einen Verband auf der Nase und zwei blaue Augen. Jemand hatte eine Dose mit Katzenfutter und eine mit extrafestem Haarspray nach dem Präsidenten geworden, ihn aber nicht getroffen.
»Der Präsident wünscht, dass du mit nach Goldthorpe fährst«, erklärte Len.
Terry zuckte mit den Schultern, nickte und zog den Mantel an.
Len fuhr. Terry saß mit dem Präsidenten hinten. Der Präsident sprach davon, die Familien der Gewerkschaftsangestellten ins St. James’s Building umzusiedeln. Als Schutzmaßnahme –
Versicherung
–
Terry versuchte, nicht zuzuhören. Er wollte auch nicht an Theresa, Christopher, Timothy oder Louise denken. Terry hatte den Kopf schon mit anderen Dingen voll.
Len hielt außerhalb des Welfare Club in Goldthorpe. Er gab vier Typen Geld dafür, auf den Rover aufzupassen. Len und Terry drängten den Präsidenten durch die Menge in den Saal, durch donnernden Beifall bis auf die Bühne.
Dort stand der Präsident nun und posierte.
Hinter ihm hing das Banner des Bezirks an der Wand.
Der Präsident drehte sich um und betrachtete es. Dann drehte er sich wieder zum Publikum. Der Saal war gesteckt voll. Alle waren hellwach und gespannt. Der Präsident schloss die Augen und verneigte sich –
Der Saal verstummte.
Er schlug die Augen auf, hob den Kopf und sagte: »Es heißt nicht
Jetzt geht’s los
. Es muss heißen:
Wir sind hier
. Wir sind hier, wir haben uns gefunden! Und da können diese Regierung und ihre Gerichte Treuhänder einsetzen, können uns Verwalter aufzwingen, können uns schmähen und angreifen. Aber eines ist gewiss: Wenn wir entschlossen zusammenstehen, wird eure Gewerkschaft – nicht meine Gewerkschaft und nicht die von irgendeinem Zwangsverwalter –, wird eure Gewerkschaft den größten Sieg in der Geschichte einfahren!«
Begeisterung. Donner –
Der Präsident senkte den Kopf. Hinter ihm das Banner –
Begeisterung und Donner
–
Terry sah auf die Uhr. Die Zeit lief davon. Bald schon würde der Sturm über sie hereinbrechen.
Der Vorsitzende fliegt über Weihnachten nach Hause in die Staaten. Der Jude zieht in dessen Büro um. Er kann nicht nach Hause. Er muss sich gegen die Schwachstellen wappnen, gegen die Niederlage –
Innen und außen. Außen und innen
–
Noch gibt es ein paar Anzugträger im Hobart House, mit denen man sich einigen muss –
Informelle
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