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GB84: Roman (German Edition)

GB84: Roman (German Edition)

Titel: GB84: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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wir auf einmal vorn –
Hör die Stimme
. Massives Drängen –
Die Stimme sagt: Folge mir
. Wir waren halb über die Straße, der Verkehr kam zum Erliegen –
Folge mir
. Weitere Polizeikräfte wurden zusammengezogen, um uns zurückzudrängen und Platz für die Rollkommandos zu machen – Die Streikbrecher kamen und fuhren einfach hinein – So als ob nichts wäre – Als ob alles in Ordnung wäre – Verräter. Mistkerle. Scab. Scab. Scab – Die Rollkommandos schlugen brutal zu. Alle auf einen Kumpel – fünf gegen einen. Die Blutspur verriet uns, wohin sie ihn gebracht hatten. Musste sie wohl auf den Geschmack gebracht haben, derart heftig stürzten sie sich dann auf alle – bis sie etwa siebzig Verhaftungen zusammenhatten oder wie hoch die Tagesquote auch immer war. Mission erfolgreich abgeschlossen – das war’s. Damit war der Streik für den Tag beendet – Morgen woanders. Nicht hier – Hobart House. St. James’s House. Creswell – Nicht Babbington. Morgen nicht – Morgen würde es irgendwo dort sein, wo auch die Kameras waren. Die Aggressionen. Dort würde der Streik sein – Nicht hier. Nicht morgen – Ausstand seit zwanzig Wochen. Zwanzig verdammte Wochen. Verfluchte Scheiße. Jackie hatte ein Sonntagsessen zubereitet. Hatten schon eine ganze Weile keins mehr gehabt. Ein richtiges. Keins, von dem man im Welfare Club erzählt hätte. Die anderen achteten genau auf jedes Essenszeichen, kontrollierten, was es bei jedem gab. Ein Braten zu viel, und die dachten, du wärst ein Streikbrecher oder ein Dieb – wobei ein Dieb weniger schlimm war – Ein paar von den Älteren spendierten mir einen. Sie freuten sich über die Gesellschaft, und ich freute mich über das Pint. Ich hörte mir ihre Geschichten von 1926 an, wer wann was gemacht hatte: wer Streikbrecher gewesen war und wer nicht. Jetzt waren sie die Reichsten im Dorf, Rentner, ein paar auch auf Stütze. Ich war gerade auf dem Klo, als Keith hereinkam. Irgendwas von Martin gehört? Nicht seit Anfang des Monats, antwortete ich. Keith nickte und sagte: Niemand hat ihn gesehen – Ich könnte ja mal vorbeifahren, sagte ich. Keith schüttelte den Kopf. Da ist keiner – Und was ist mit Cath?, fragte ich. Wieder schüttelte Keith den Kopf. Hat ihren Job hingeschmissen, hab ich gehört. Verdammt, sagte ich. Glaubst du, die sind abgehauen? Keine Ahnung, sagte Keith. Dachte, du wüsstest was. Wieso, fragte ich. Hab nichts von ihm gehört, von ihr auch nicht. Vielleicht sind sie nur für eine Weile weggefahren. In Urlaub oder so?, fragte Keith. Ich sah ihn an. Ein Segeltörn, hm? Oder eine Pauschalreise? Nein, sagte Keith. Das bezweifle ich. Die Zeiten sind gefährlich, Keith, erwiderte ich. Sei vorsichtig mit dem, was du sagst. Sei vorsichtig mit dem, was du denkst. Es gab ein paar Festivals unten in London . Der Bezirk Yorkshire stellte Busse bereit. Die Nachfrage war so groß, dass wir noch ein paar mehr mieten mussten. Mary und eine Menge anderer Frauen schmissen sich in Schale, wie üblich. Das war ein Anblick. Hebt die Moral, meinten sie. Wir nahmen unsere Sammeleimer und Abzeichen, Bettelschalen und flachen Mützen und machten uns auf den Weg. Aus blanker Ironie war das wohl der einzige Tag im ganzen Monat, an dem es regnete. Das Wetter war vorher großartig gewesen. Nun pisste es den ganzen Tag, ununterbrochen. Ich stand in den Jubilee Gardens. Dürften wohl an die hundert Eimer gewesen sein. Jeder Bezirk plus eine Abteilung aus Greater London. Den ganzen Tag über passierte nichts Gutes, nur einmal, als dieser Farbige vorbeikam. Er blieb stehen, sah all die Eimer, nahm seine Lohntüte aus der Tasche, öffnete sie und griff zwei Pfund heraus. Anständig von dir, dachte ich. Doch dann steckte er die zwei Pfund ein und schüttete seine ganze Lohntüte in unseren Eimer – den gesamten Wochenlohn. Bis auf zwei Pfund. Da kam ich ins Grübeln, ehrlich. In Thurcroft gab es keine farbigen Kumpel, und manche waren richtig froh darüber. Wäre mir recht gewesen, wenn die das gesehen hätten – aber ich war ja auch nicht anders; als ich aufgewachsen war, hatte ich gedacht, Schwarze hätten einen Komplex und Iren wären komplett bescheuert. So dachte ich inzwischen nicht mehr, ehrlich.

ZWEIUNDZWANZIGSTE WOCHE
    Montag, 30. Juli – Sonntag, 5. August 1984
    Das Nationale Exekutivkomitee hatte das Angebot des NCB abgelehnt. Für den 10. August war eine Außerordentliche Delegiertenkonferenz einberufen worden. Man war zum Weitermachen entschlossen –
    Im

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