Gebannt: Band 3 (German Edition)
quälen. Aber die Genugtuung verschaffte ich ihr nicht – alle wechselten sich beim Patrouillieren ab, Lincoln hatte offenbar beschlossen, eine Extraschicht einzulegen, um mich zu meiden. Ich war erleichtert, auch wenn ich nicht voll und ganz ignorieren konnte, dass sich mein ganzer Körper schmerzlich nach ihm sehnte.
Das war so, seit wir uns in Jordanien näher gekommen waren. Vielleicht hatte es auch schon früher angefangen. Der Schmerz, den ich verspürte, wenn ich in seiner Nähe war, wurde immer stärker. Doch manchmal, so wie jetzt, war getrennt voneinander zu sein sogar noch schlimmer. Ich spürte ein so starkes Verlangen, dass es sich anfühlte, als würde es mich von innen heraus zerreißen.
Ich bemühte mich, meine Schutzbarrieren aufrechtzuerhalten, und ich wusste, er würde dasselbe machen, wo immer er auch war. Doch ich bezweifelte, dass jemals etwas unsere » Verbindung« trennen konnte. Falls ich schon sonst nichts erreicht hatte, so hatte ich wenigstens dafür gesorgt, dass er mich für den Rest des Abends meiden würde. Und das war für mein Vorhaben nur gut.
Ich schob mein Essen au f dem Teller herum und nickte ab und zu bei den Gesprächen. Ich lachte sogar, als Spence die Hälfte seines gegrillten Tintenfischs au f sein T-Shirt fallen ließ. Ich verhielt mich normal, wenn auch ein wenig distanziert, aber das bemerkte niemand. Nicht einmal Steph, die zu sehr damit beschäftigt war, an einer Ecke des Tischs mit Salvatore zu plaudern, wobei sie hin und wieder ins Italienische verfielen, um süße Belanglosigkeiten auszutauschen.
Als der Nachtisch kam, stocherte ich in meinem Eis mit Mandelgebäck herum, während ich mich am Tisch umsah und mir einredete, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Ich hatte niemand anderes mit hineingezogen, niemand brauchte die Verantwortung für meine Taten zu übernehmen. Ich beschloss, Phoenix gegenüberzutreten, und wenn ich ihn davon abhalten konnte, die Pforten der Hölle zu öffnen, dann würde ich das tun. Das Wichtigste war, dass er meinen Freunden nichts tun würde.
Ich sah wieder au f meine Uhr, und als ich aufblickte, starrte Onyx mich an, als würde er mich geradewegs durchschauen.
» Du hast immer noch Kräfte, nicht wahr?«, fragte ich ihn. Ich hatte diesen Verdacht schon seit einiger Zeit, aber jetzt war ich mir sicher, dass er Dinge sah, die ein normaler Mensch nicht sehen konnte.
» Mich selbst mit Leuten zu umgeben, die Kräfte haben, scheint tatsächlich eine bestimmte Stärke in mir wiederaufleben zu lassen, aber nein, ich werde nicht wieder so mächtig wie früher. Nicht annähernd.«
» Deshalb wolltest du mitkommen, oder? Um in der Nähe zu sein?« Als er nicht antwortete, fuhr ich fort. » Hast du dich nach dem Angrif f der Verbannten selbst geheilt?« Ich war noch nicht dahintergekommen, wie er sich so schnell hatte erholen können.
Seine Hand wanderte zu seinem inzwischen verheilten Gesicht und seinem Hals, als wäre er selbst auch überrascht darüber.
» Ich fürchte, das ist auch für mich ein Rätsel.« Er zuckte mit der Schulter, und ich merkte, dass er mir nicht die ganze Wahrheit sagte. » Was du wahrnimmst ist die Zeit. So viel Zeit und so viele Dinge, die ich gesehen habe. Es gibt nicht viele Gesichtsausdrücke oder Gedanken, die ich noch nicht kenne.«
Ich nickte – das ergab einen Sinn, aber das wollte ich nicht vor ihm zugeben, deshalb hielt ich meinen Gesichtsausdruck möglichst unbewegt.
» Zu spät.« Er schenkte mir ein breites Lächeln.
Nervös schaute ich mich um. Mein Instinkt riet mir, mich von ihm abzuwenden, aber aus irgendeinem Grund konnte ich nicht reagieren.
» Du hast Schmerzen – und zwar nicht nur seelische.«
» Nur Muskelschmerzen«, sagte ich und konzentrierte mich wieder au f mein Eis.
» Die Seele.« Er zog die Augenbrauen nach oben, als ich aufblickte. Ich hielt den Atem an.
» Was ist damit?« Immer wieder stach ich in mein Eis.
» Manchmal ist sie wie ein Tier in uns – sie ruft uns, füttert uns, führt uns. Aber das Tier ist wild, und wenn es sein Ziel gefunden hat und au f den Geschmack gekommen ist, dann wird es sich nicht beruhigen, bis es hat, wonach es verlangt. Deine Seele kämpft gegen dich, Violet. Du kannst sie nur so lange in Schach halten, bis …«
Ich schüttelte den Kop f und schnitt ihm das Wort ab. » Ich weiß, was du damit sagen willst, aber du irrst dich. Wir haben nie … Meine Seele hat sich nie mit seiner vereint.« Wir hatten dagegen angekämpft,
Weitere Kostenlose Bücher