Gebannt: Band 3 (German Edition)
gefiel mir nicht, aber ich konnte ziemlich gut lügen. Immerhin war ich die Tochter meiner Mutter. Aber genau da war f er Caroline einen Blick zu und sie deutete ein Nicken an.
» Nun, ich möchte, dass du in den nächsten paar Wochen mehr zu Hause bist. Du gehst nicht mehr lang zur Schule, und ich weiß, dass du die meisten deiner Prüfungen schon geschrieben hast, aber du hast immer noch ein paar Fächer, au f die du dich konzentrieren musst.«
Es war, als würde ich eine Grauzone betreten.
Versucht sich mein Vater gerade echt daran, ein richtiger Elternteil zu werden?
Unwillkürlich musste ich ein wenig lächeln. Das war einfach zu absurd. Doch im Moment konnte ich mir diese Art von Aufmerksamkeit einfach nicht leisten, deshalb erklärte ich: » Ich habe bereits Pläne für heute Nachmittag und heute Abend.«
» Dann ändere sie«, sagte er rundheraus und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seiner Arbeit zu.
Ich war f Caroline einen Blick zu, der ihr sagte, dass ich verdammt gut wusste, dass sie hinter alldem steckte. Wir waren früher immer gut miteinander ausgekommen, aber jetzt hatte sie eine Grenze überschritten.
» Ich kann nicht!«, blaffte ich, woraufhin mir wieder Dads Aufmerksamkeit zuteilwurde, was allerdings nichts Gutes bedeutete.
» Doch, das kannst du«, sagte er.
» Nein«, sagte ich und dachte rasch nach. » Ich … ich kann nicht. Es ist … ich muss zum Orientierungsabend des Fenton-Kunstkurses.«
Ich wusste, wenn irgendetwas Dad dazu bringen konnte, einen Rückzieher zu machen, dann das. Doch für alle Fälle gab ich ihm noch einen weiteren Grund, von dem ich erst, als ich es sagte, wusste, dass dieser Teil tatsächlich der Wahrheit entsprach. » Und heute Nachmittag wollte ich au f den Friedho f gehen.«
Sofort fing ich an, mich zu hassen.
Es mochte zwar keine Lüge sein, aber ich hätte ihm das nicht einfach so vor den Latz knallen sollen, und dann auch noch vor Caroline. Ein dunkler Schleier legte sich über ihn, und was immer sich in der letzten Woche bei ihm verändert zu haben schien, wurde augenblicklich wieder rückgängig gemacht. Er stand au f und schnappte sich einen Stapel Papier.
» Wir müssen wieder zurück ins Büro«, presste er mit beklommener Miene heraus.
Caroline stand rasch au f und schlüpfte in ihren leichten Trenchcoat. » Ich warte unten, James.« Sie lächelte mich freundlich an, während sie die Tür aufmachte, wodurch ich mich noch schlechter fühlte. » Komm doch mal wieder im Büro vorbei. Wir vermissen deine Besuche dort.«
Ich nickte verlegen.
Dad durchschaute mich. Ich erwartete nicht, dass er etwas sagte, aber er überraschte mich, indem er neben mir stehen blieb, anstatt einfach vorbeizugehen.
» Violet, ich weiß, dass du etwas verschweigst. Bitte sag mir einfach, dass du nicht in Schwierigkeiten steckst.« Seine Stimme war leiser, fast flehend geworden.
Dabei wurde mir eines klar: Sollte mir etwas zustoßen, gäbe es nur noch wenig, was Dad am Leben und bei Verstand halten könnte. Ich hatte immer gedacht, ich wäre ihm nicht wichtig genug. Jetzt erkannte ich die Wahrheit – ich bedeutete ihm alles.
» Alles ist bestens, Dad.« Ich schluckte schwer. Die Lüge hatte jetzt an Gewicht gewonnen. » Das verspreche ich.«
Er nickte halbherzig und ging. Ich wusste, er würde heute nicht noch einmal aus seiner Benommenheit erwachen. Ihm zu sagen, ich würde Mum besuchen, war grausam gewesen.
Aber notwendig, krächzte eine rauere Stimme in mir.
Ich ging nicht oft zum Grab meiner Mutter. Und wenn doch, fühlte ich mich dabei immer ein wenig wie eine Betrügerin.
Dad und ich sind früher immer zusammen au f den Friedho f gegangen, und es war schrecklich – das Schweigen während der Autofahrt, das durch unbehagliche, erzwungene Gespräche gebrochen wurde. Ich fühlte mich immer wie ein Eindringling in seine – ihrer beider – Zeit. Er verdiente es, sie allein zu besuchen, ohne dabei meine Hand halten zu müssen. Es kostete ihn schon genug Anstrengung, nicht zusammenzubrechen, ganz zu schweigen von der Bürde, mich auch noch trösten zu müssen und – was noch schlimmer war – mir irgendwie zu versichern, dass er mir nicht die Schuld gab.
Ich wusste, dass er das nicht tat, aber ich konnte immer seine Unsicherheit darüber spüren, wie viel Bestätigung dies brauchte.
Dad liebte sie so sehr. Absolut. Nein, noch mehr als das. Es ist so ein Auf-immer-und-ewig-Ding. Deshalb ist er jetzt so verloren. Falls ihm überhaupt noch etwas wirklich
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