Gebannt: Band 3 (German Edition)
Augen wie ein Profi. » Ich werde den Wagen vorfahren lassen. Max wird euch dorthin begleiten, aber er muss im Wagen bleiben. Okay?«, sagte sie, dabei hielt sie meinen Blick, wie um sich zu vergewissern, dass ich sie gehört und auch verstanden hatte. Sie streckte die Hand aus. » Gib mir den Dolch.«
Ich rührte mich nicht. » Nein.«
Sie stieß einen frustrierten Seufzer aus.
» Ich nehme ihn«, sagte Lincoln und öffnete seine Jacke ein wenig, um seinen eigenen Dolch zu zeigen. Vertrauensvoll reichte ich ihm meinen, wobei ich dafür sorgte, dass er mich in keiner Weise berührte.
» Da kommt das Auto«, sagte Morgan vom Eingang her, als sie eine Hupe hörte. Sie zog die Hoteltür auf. » Josephine hat mir aufgetragen, dich daran zu erinnern, dass du ihm den Schmuck vorführen sollst, damit er ihn in Besitz nehmen kann – das sind die Bedingungen.«
Ich nickte, meine kurzlebige Aufregung schwand rasch. Ich drehte mich um, um Lincoln zu fragen, was seiner Meinung nach damit gemeint war, aber er war bereits nach draußen verschwunden.
Genau das, was ein Mädchen für sein Selbstbewusstsein braucht.
Kapitel Zweiundzwanzig
» Ein Engel kann die Gedanken und den Verstand eines Menschen erhellen, indem er seine Kraft zu sehen stärkt …«
Thomas von Aquin
Ich ging die Wendeltreppe hinunter und hoffte, dass ich nicht stolpern und einen peinlichen Sturz hinlegen würde. Ich machte mir wirklich nicht viel daraus, so aufgedonnert auszusehen. Nicht so viel wie Steph jedenfalls. Aber jetzt, wo es so war, wollte ich keinen totalen Idioten aus mir machen. Ich meine, wie oft werde ich schon noch die Gelegenheit bekommen, ein solches Kleid zu tragen?
Als ich schon halb die Treppe unten war, spürte ich die Veränderung. » Oh nein«, jammerte ich. » Nicht jetzt.« Ich legte eine Hand au f das Geländer, um Halt zu finden, während die Schwerkraft ihren Grif f um die Welt lockerte und sich etwas anderes, etwas, was nicht da sein sollte, um mich herum bewegte. Das letzte Mal, als ihr Reich unseres berührte, waren wir in Jordanien gewesen, deshalb war es auch nicht so seltsam gewesen, dass wir von Sand umweht waren. Doch au f Santorin, einer Vulkaninsel, war es schlicht und ergreifend beunruhigend, Wüstensand au f sich zuwehen zu sehen.
Ich versuchte, eine Stufe zurück nach oben zu gehen, aber meine Beine waren wie beim letzten Mal wie einzementiert. Ich holte tie f Luft und konzentrierte mich darauf, meine Schutzbarrieren wieder aufzurichten. Ich konnte nicht so schutzlos dastehen, wenn Nox oder auch Uri auftauchten.
Nach und nach, wie wenn ein eingeschlafener Körperteil wieder zum Leben erwacht, spürte ich, wie meine Nerven anfingen zu prickeln. Mit den Zehen zu wackeln tat gut, aber es reichte nicht. Ich konzentrierte mich weiterhin, meine Hände glitten wieder am Geländer entlang, und ich schaffte es, diesen einen Schritt zurück nach oben zu machen.
Okay. Es gibt Bewegung!
Der Sand wurde hereingeweht und regnete au f die Stufen. Ein paar Sandkörner fielen au f meine Hand. Ich versuchte, über unsere Verbindung nach Lincoln zu greifen, hatte den Gedanken jedoch kaum zu Ende gedacht, als jemand anderes vor mir stand.
» Uri?«, fragte ich. Ich war mir relativ sicher, aber es verwirrte mich jedes Mal ein wenig, wenn ich einen meiner Engel-Führer sah. Uri war ein auserkorener Engel. Er sah zerzaust und schmutzig aus – allerdings nicht au f die Art, wie ein armer, aber herzensguter Kerl. Nein, er sah immer aus, als würde er gerade von der weltgrößten Sauftour zurückkommen. Sandiges wirres blondes Haar rahmte sein Gesicht ein, er trug ein weißes Hemd, das oben nicht zugeknöpft war und unten lose aus der Hose hing, eine schwarze Hose, die aussah, als sollte sie mal wieder gewaschen werden und … keine Schuhe. Das Sahnehäubchen bildete der Dreitagebart.
Ich starrte ihn an. Irgendetwas hatte er an sich. Ich war mir nicht sicher, was es war, aber ich war in seiner Gegenwart in vielerlei Hinsicht beunruhigter als in Nox’ Gegenwart.
Nox war einfach. Seine Motive waren falsch, er wollte das Falsche, er selbst war falsch. Uri … Uri war etwas anderes, aber etwas, das alles in allem viel Furcht einflößender war.
Er beobachtete, wie ich ihn beobachtete, und ich merkte, dass er sich seine eigenen Gedanken machte. Der angewiderte Blick war unverkennbar, aber ich hatte gelernt, damit umzugehen. Engel, die nicht dieses Leben gewählt haben, sind zwar einerseits von der Menschheit fasziniert,
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