Gebannt: Band 3 (German Edition)
nicht begriffen. » Wenn du helfen möchtest, Uri, dann hilf!«
Sein Interesse an mir wuchs, weshalb ich mich beruhigen und meine Wut vor ihm verstecken wollte.
» Es ist nicht an uns zu handeln. Auch haben wir nicht notwendigerweise den Wunsch zu … helfen, wie du es ausdrückst. Mit dir bewegen wir uns ohnehin schon au f einem schmalen Grat.«
Ich wollte ihn gerade anfahren, hielt dann aber die Luft an, als ich sah, dass sich hinter ihm etwas bewegte. Es war wie damals in Jordanien, als ich Nox gesehen hatte. Etwas … Lebendiges.
» Was … Was sind das für Dinge?«, fragte ich und unterdrückte ein Schaudern.
» Spiegelungen«, sagte er nach einer Pause.
» Das verstehe ich nicht.«
» Nein.«
Dass ich wütend war, wäre noch untertrieben. Ich hasste die Art und Weise, wie das lie f – keine Antworten, wenn ich sie brauchte, nur wenn sie es für angebracht hielten. Wer zum Teufel hatte ihnen so viel Kontrolle gegeben?
» Läuft das jetzt wie letztes Mal? Du hast eine Nachricht für mich und eine von Nox oder so?«
» Nox vertraut mir seine Nachrichten nicht an«, sagte er mit Bitterkeit in der Stimme.
Ich konnte sie nicht verstehen. Einerseits verstanden sie sich, andererseits verachteten sie sich gegenseitig.
» Seid ihr beiden wirklich Brüder?«, fragte ich, ich konnte mich einfach nicht beherrschen.
» Sehen wir aus wie Brüder?«
» Ich seht aus wie Zwillinge, genau gleich«, sagte ich.
» Dann sind wir gleich.«
Ich wusste nicht, warum ich überhaupt gefragt hatte. » Sag einfach, was du mir sagen willst«, sagte ich und verschränkte die Arme.
» Das habe ich schon.«
» Das war es? Bestimmt kannst du mir noch etwas geben, womit ich arbeiten kann. Du weißt schon, was hier vor sich geht, oder? Phoenix will Lilith zurückholen.« Und ich weiß nicht, warum, aber in diesem Moment war ich mir ziemlich sicher, dass es ihm auch gelingen würde.
» Prüfungen werden kommen und Prüfungen gehen. Diejenigen, die noch stehen, müssen sich entfalten. So ist der Lau f des Universums.«
» Noch mehr Prüfungen? Und du sollst gut sein, ein Engel des Lichts?«, fauchte ich ihn an.
» Mädchen, das ganze Dasein ist eine Prüfung. Manche werden einfach nur offensichtlicher au f die Probe gestellt. Außerdem habe ich mir diesen Titel nicht selbst verliehen. Ich bin ein auserkorener Engel. Die Menschen haben beschlossen, dass die Auserkorenen vom Licht sein müssen, die Bösartigen von der Finsternis. Aber ihr habt uns ja auch Flügel und Heiligenscheine gegeben.« Uri blickte über seine Schulter zu Lincoln, und ich hatte das Bedürfnis, ihn abzulenken – um Lincoln, zu schützen. Ich machte einen Schritt au f Uri zu.
» Nicht. Lass ihn in Ruhe.«
» Und was glaubst du, könnte ich ihm antun, was ihm nicht ohnehin schon angetan wurde?«
Damit wandte er sich wieder mir zu. Jetzt waren wir uns nah, zu nah.
» Ist alles schon entschieden?«, fragte ich. Bei dem Gedanken daran bebte meine Stimme. Ich musste es wissen.
» Du hast wie immer zwei Möglichkeiten zur Auswahl. Es bleibt dir überlassen, frei zu entscheiden. Du hast jedoch gewisse, fest eingebettete Neigungen, deshalb ist dein Weg nicht so leicht zu ändern. Aber es gibt Leute, die etwas anderes glauben und entschlossen sind.«
» Wie kann ich Phoenix aufhalten?«
» Das kannst du nicht. Er kann sich nur selbst aufhalten. Er muss wählen, genau wie du. Die richtige Wahl ist ihm bisher nur noch nicht begegnet.«
» Wird das noch geschehen?«, fragte ich und nahm einen winzigen Funken Hoffnung wahr.
Sein Kop f neigte sich zur Seite, ein Finger zuckte. An einer normalen Person würde ich so winzige Bewegungen gar nicht bemerken, aber Uri war keine normale Person und er bewegte sich überhaupt nicht, es sei denn, er wurde dazu veranlasst. Etwas an meiner Reaktion faszinierte ihn. Rasch machte ich meinen Kop f leer und meine Miene ausdruckslos, was ihn nur noch mehr fesselte. Er zog ganz leicht die Mundwinkel nach oben.
» Such nach etwas Altem, was nicht unbedingt das Auge verlockt, aber den Engel in dir betört. Au f Wiedersehen, Violet.«
Ich schluckte. Die Fragestunde war vorbei.
» Au f Wiedersehen, Uri«, sagte ich. Mein Blick glitt wieder zu seiner Umgebung, und ich spürte den Drang, die Hand auszustrecken, sie zu berühren – nein, mehr. Diese schwebenden Dinge hinter ihm und sogar die Schatten, die darunter zu schweben schienen, waren so lebensecht und verstörend schön, wie sie so in unnatürlich hellem Licht schimmerten.
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