Gebannt - Unter Fremdem Himmel
aufgegeben. Und das solltest du auch nicht, Aria.
Ich wollte dich sofort informieren, als es passiert ist, doch der ZGB hat unsere Verbindung mit den anderen Biosphären unterbrochen. Man will verhindern, dass sich Panik ausbreitet. Aber ich habe einen Weg gefunden – das hoffe ich zumindest –, um dir diese Nachricht zu übermitteln. Ich weiß, dass du dir Sorgen machst.«
Aria schien das Herz stehenzubleiben.
Lumina lehnte sich zurück. Ihre Hände waren nicht im Bild, doch Aria wusste, dass sie gefaltet auf ihrem Schoß lagen. »Da ist noch etwas, das ich dir sagen muss, Aria. Etwas, das du schon lange wissen wolltest. Es geht um meine Arbeit.« Sie schenkte der Kamera ein flüchtiges Lächeln. »Du wirst dich sicher freuen, es zu erfahren.
Ich muss mit den Welten beginnen. Der ZGB hat sie erschaffen, um uns die Illusion von Freiheit und Raum zu geben, als wir während der Einheit gezwungen waren, in den Biosphären Zuflucht zu suchen. Die Welten waren eigentlich nur als Kopien des Lebensumfelds gedacht, das wir, wie du ja weißt, zurücklassen mussten. Aber das Potenzial der virtuellen Realität erwies sich als zu verlockend: Wir verliehen uns die Fähigkeit, zu fliegen oder mit einem einzigen Gedanken von einem schneebedeckten Gipfel zu einem Strand zu reisen. Und warum sollten wir noch länger Schmerz empfinden, wenn es nicht sein musste? Warum die Wucht echter Furcht spüren, wenn keine Gefahr bestand, verletzt zu werden? Wir haben das, was wir für gut befanden, optimiert und alles Schlechte entfernt: Das sind die Welten, so wie du sie kennst. Besser als die Realität , wie man so schön sagt.«
Lumina starrte einen Moment in die Kamera. Dann streckte sie den Arm nach vorn und drückte auf etwas, das außerhalb des Bildes lag. Auf einem Quadranten oberhalb ihrer linken Schulter erschien ein farbiger Scan des menschlichen Gehirns.
»Der mittlere Bereich in Blau ist der älteste Teil des Gehirns, Aria. Er heißt limbisches System und steuert viele grundlegende Prozesse menschlichen Lebens. Unser Triebverhalten. Unsere Emotionen, wie Stress und Furcht und die Reaktion darauf. Unsere Fähigkeit zur raschen Entscheidungsfindung. Wir nennen es zwar ›Bauchgefühl‹, aber tatsächlich stammen diese Reflexe von hier. Vereinfacht gesagt, ist das hier unser emotionales Hirn. Die Nützlichkeit dieses Teils unseres Gehirns hat im Laufe von Generationen in den Welten stark abgenommen. Aber was glaubst du, meine Tochter, passiert mit Dingen, die zu lange nicht genutzt werden?«
Aria schluchzte leise auf: Dies hier war ihre Mutter, wie sie leibte und lebte. So hatte sie sie immer unterrichtet, ihr Fragen gestellt. Sie ihre eigenen Antworten finden lassen. »Sie gehen verloren«, murmelte Aria.
Lumina nickte, als hätte sie sie gehört. »Das limbische System degeneriert. Das hat katastrophale Auswirkungen für den Fall, dass wir doch einmal auf unsere Instinkte angewiesen sind. Lust und Schmerz geraten durcheinander. Furcht kann spannend werden. Statt Stress zu vermeiden, streben wir ihn an und schwelgen regelrecht darin. Aus dem Willen, Leben zu spenden, wird die Gier, es zu nehmen. Verstand und Wahrnehmung kollabieren. Vereinfacht gesagt, es mündet in eine Psychose.«
Lumina schwieg einen Moment und fuhr dann fort: »Diese Erkrankung habe ich mein Leben lang studiert. Degeneratives Limbisches Syndrom. Als ich meine Arbeit vor zwei Jahrzehnten begann, waren Vorkommnisse von DLS isoliert und unbedeutend. Kein Mensch glaubte, es würde einmal eine echte Bedrohung darstellen. Doch in den vergangenen drei Jahren ist die Zahl und Intensität der Ätherstürme in einem alarmierenden Ausmaß gestiegen. Sie beschädigen unsere Biosphären und unterbrechen unsere Verbindung zu den Welten. Generatoren versagen. Datensicherungen versagen … Das bringt uns in gefährliche Situationen, die wir aber nicht mehr bewältigen können. Ganze Biosphären sind dem DLS zum Opfer gefallen. Ich glaube, du kannst dir das Chaos vorstellen, wenn sechstausend Menschen, die unter diesem Syndrom leiden, gemeinsam an einem Ort festsitzen. Ich habe es in diesem Moment vor Augen.«
Sie schaute einen Moment von der Kamera weg und verbarg dabei ihr Gesicht.
»Für das, was ich dir jetzt sagen werde, wirst du mich hassen – aber ich weiß nicht, ob ich dich jemals wiedersehen werde, und ich kann dir die Wahrheit nicht länger vorenthalten. Meine Arbeit hat mich auch dazu geführt, auf der Suche nach genetischen Lösungen Untersuchungen
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