Gebannt - Unter Fremdem Himmel
eine Welt nach der anderen an. Die haben sogar Jagd-Welten hier, aber die sind meistens zu einfach. Man muss bloß …«
»Talon, ich werde dich hier rausholen. Ich werde einen Weg finden.«
»Ich will hier aber nicht weg.«
Perrys Schultern versteiften sich unter Arias Hand.
»Du gehörst hier nicht hin«, sagte er.
»Aber mir geht es hier gut. Die Ärzte sagen, ich muss jeden Tag Medikamente nehmen. Die machen mir zwar wässrige Augen, aber dafür tun meine Beine überhaupt nicht mehr weh.«
Aria wechselte besorgte Blicke mit Roar und Marron.
»Du willst bleiben ?«, fragte Perry.
»Ja, jetzt, wo du auch hier bist.«
»Ich bin noch in der Außenwelt. Ich bin nur dieses eine Mal hier.«
»Oh …« Enttäuscht schob Talon seine Unterlippe vor. »Das ist dann wohl für den Stamm gut.«
»Ich bin nicht bei den Tiden.«
Talon runzelte die Stirn. »Wer ist denn dann Kriegsherr?«
»Dein Vater, Talon.«
»Nein, ist er nicht. Er ist hier bei mir.«
Perrys Körper auf dem Sofa neben Aria zuckte zusammen, und Roar, der neben ihnen stand, fluchte unterdrückt.
»Vale ist bei dir?«, fragte Perry. »Hat man ihn gefangen genommen?«
»Das wusstest du nicht? Er hat versucht, mich zu retten, und da haben sie ihn erwischt. Ich habe ihn ein paarmal gesehen. Wir sind zusammen jagen gegangen. Clara ist auch hier.«
»Dein Vater wurde geschnappt?«, fragte Perry erneut.
Marron setzte sich plötzlich auf. »Sie haben ihn aufgespürt! Wir müssen abschalten.«
Perry riss Talon an sich. »Ich liebe dich, Talon. Ich liebe dich.«
Die Zeichnung eines Falkens hoch am Ätherhimmel flackerte noch einmal auf und erlosch dann.
Der Bildschirm wurde dunkel.
Einen Moment lang regte sich niemand. Dann schnellte Perry fluchend zurück und brachte damit das Sofa zum Wackeln. »Nehmt mir dieses Ding hier ab!«
»Du musst es selbst tun, Perry. Du darfst dich nicht bewegen …«
Doch er war bereits losgestürmt, durchquerte den Raum mit wenigen großen Schritten. Vor dem Wandbildschirm blieb er stehen und strauchelte.
Ohne nachzudenken, ging Aria zu ihm und nahm ihn in den Arm.
Sofort schlang auch Perry die Arme um sie und stieß einen erstickten Laut aus, während er den Kopf in ihrer Halsbeuge vergrub. Schmerzverkrümmt klammerte er sich an sie. Seine Tränen strichen wie kühle Federn über ihre Haut.
Peregrine | Kapitel Dreißig
Aria führte ihn nach oben und zog ihn in ihr Zimmer. Perry dachte kurz daran, dass er vermutlich lieber nicht dort sein sollte, ging aber wie automatisch mit und ließ sich schwerfällig auf dem Bett nieder. Aria schaltete die Lampe ein und dimmte das Licht. Dann setzte sie sich neben ihn und verschränkte ihre Finger mit seinen.
Vorsichtig bewegte Perry die Finger seiner verletzten Hand, und die darauf folgende Woge des Schmerzes fühlte sich seltsam beruhigend an.
Er war noch immer da.
Er konnte noch immer fühlen.
»Talon schien nicht verletzt zu sein«, sagte er nach einer Weile. »Er sah so aus, als würde ihm nichts fehlen.«
»Das stimmt.« Aria biss sich auf die Lippe und runzelte gedankenverloren die Stirn. »Ich wusste, dass sie ihm nicht wehtun würden. Ich wusste, dass meine Mutter so etwas nie tun würde. Wir sind nicht grausam.«
»Unschuldige Kinder zu entführen, ist nicht grausam? Sie haben Talon, Aria! Und meinen Bruder . Die beiden gehören nicht dorthin. Sie sind keine Maulwürfe.« Sofort wurde ihm klar, dass er etwas Dummes gesagt hatte: Aria war aus ihrer Heimat vertrieben worden. Von allem abgeschnitten worden, sogar von ihrer Mutter. Wohin gehörte sie ? Ein kalter Schauer überkam ihn. Perry zuckte zusammen, unsicher, ob er ihre Stimmung eingeatmet hatte oder ob er sein eigenes Bedauern spürte. »Tut mir leid, Aria – das hätte ich nicht sagen sollen.«
Sie nickte nur und blickte weiterhin starr auf ihre miteinander verschränkten Finger.
Perry holte tief Atem. Ihr süßer Veilchenduft war überall. Sein Blick wanderte über die glatte Haut an ihrem Hals. Dort wollte er atmen, direkt unter ihrem Ohr.
»Er erinnert mich sehr an dich, Perry. Wie er sich bewegt, wie er handelt. Er bewundert dich.«
»Danke.« Beim Gedanken an Talon hatte er einen Kloß im Hals. Er gab ihre Hand frei, lehnte sich auf dem Bett zurück und bedeckte sein Gesicht mit dem Arm. Gerade noch hatte er eng umschlungen mit ihr vor dem Wandbildschirm gestanden; der Verband um seine Hand war noch feucht von ihren gemeinsamen Tränen. Doch jetzt fühlte es sich irgendwie anders an.
Weitere Kostenlose Bücher