Gebannt - Unter Fremdem Himmel
weit. »Hast du gesehen, was ich getan hab?«
»Ja, habe ich«, erwiderte Perry mit rauer Stimme.
Cinders Blick fiel auf Perrys Hand. Er starrte auf die verbrannte Haut. »Ich konnte nichts dagegen machen.«
»Ich weiß«, sagte Perry, während er in Cinders schwarzen Augen sein Spiegelbild sah. Er kannte die schreckliche Zerrissenheit eines Menschen, dessen Talent darin bestand, anderen Menschen das Leben zu nehmen.
Stöhnend umfasste Cinder seinen Bauch und begann zu zittern. Sein Atem ging in kurzen Stößen, während er sich zu einer engen Kugel zusammenkrümmte. Perry holte eine Decke aus seinem Beutel und deckte ihn damit zu. Dann versteckte er den Rest ihrer Sachen zwischen den Felsen. Während Aria Roar stützte und sich dessen Arm über die Schulter legte, hob Perry Cinder auf und stellte dabei bestürzt fest, dass sich die Haut des Jungen eiskalt anfühlte.
»Ich hab’s wiedergutgemacht«, flüsterte Cinder mit bebenden Lippen.
Als sie losliefen, stießen sie auf zwei Kräher, die im Schatten eines Baumes kauerten. Bei Cinders Anblick rannten sie panisch davon. Perry musste trotz seiner rauen Kehle schlucken. Hatte der Junge jemals etwas anderes erfahren als Angst oder Mitleid?
Sie schleppten sich, so schnell es ging, nach Delphi und stürmten durch das Tor. Perry setzte Cinder auf dem Kopfsteinpflaster neben Roar ab. Im Hof hatten sich viele Menschen versammelt, bewaffnet und bereit für eine kriegerische Auseinandersetzung, eine Invasion oder was auch immer kommen mochte. Der Äther hatte die Sterne am Himmel inzwischen wieder verdeckt. Die Auszeit, die Cinder ihnen verschafft hatte, würde bald vorüber sein.
Marron kam durch die Menge auf sie zu. »Was ist mit Mark und Gage?«
Perry schüttelte den Kopf, taumelte dann ein paar Schritte durch den Hof und kehrte den anderen den Rücken zu. Er musste sich die Faust vor die Lippen pressen, um das Schuldgefühl und alles andere zu unterdrücken, was sonst noch hochzukommen drohte. Hinter ihm berichtete Aria Marron, was passiert war, während er gleichzeitig Leute aufschreien und weinen hörte. Sie verfluchten ihn.
Und sie hatten recht: Seinetwegen waren die Kräher vor ihre Stadtmauern gezogen. Seinetwegen waren Mark und Gage jetzt tot. Perry wusste genau, dass er diese Schuld nicht von sich weisen konnte.
Marron trat auf ihn zu. »Du musst jetzt gehen. Die Kräher kommen vielleicht wieder. Geh nach Hause, Peregrine, und bring Aria zu ihrer Mutter.«
Bei diesen einfachen Worten kehrte die Klarheit in Perrys Gedanken zurück. Er wandte sich an Roar und fragte: »Du kommst dann im Frühjahr nach?«
Roar nahm Perrys ausgestreckte Hand und ergriff sie fest. »So schnell ich kann.«
Schließlich ging Perry zu Cinder. Er wusste, dass er den Jungen, dessen Macht viel größer war als die seine, nicht herumkommandieren konnte. Doch er wusste auch, dass Cinder ihn brauchte. Er brauchte jemanden, der ihm zu verstehen half, was er getan hatte und wozu er in der Lage war. Und vielleicht brauchte Perry das ja ebenso.
»Wirst du Roar begleiten?« In Perrys Frage steckte viel mehr, als sich im ersten Moment erkennen ließ – im Grunde fragte er Cinder, ob er sich ihm anschloss.
Cinders Antwort kam ohne Zögern.
»Ja.«
Peregrine | Kapitel Sechsunddreißig
Gemeinsam traten Perry und Aria durch das Tor. Sie sammelten ihre Habseligkeiten auf, die sie zwischen den Felsen versteckt hatten, und liefen los. Kreischend fuhren rotierende Äthertrichter aus dem Himmel herab und ließen die Erde unter ihren Füßen beben. Als in den Wäldern die ersten Brände ausbrachen, verdunkelte Rauch die kühle Luft. Perry führte sie um die Brandherde herum und hielt Arias Hand dabei fest umklammert.
Da sie Delphi so schnell wie möglich hinter sich lassen wollten, schlugen sie ein hohes Tempo an. Binnen weniger Stunden hatten sie den schlimmsten Teil des Sturms hinter sich gelassen und verbrachten den Rest der Nacht damit, schweigend weiterzuwandern. Sie halfen einander steile Hänge hinab, reichten sich Wasser, tauschten Berührungen aus. Ein Dutzend Schritte lang berührte ihre Hand die seine, einen Augenblick ruhte seine Hand auf ihrem Rücken. Berührungen, denen keine wirkliche Absicht zugrunde lag, doch sie sagten: Ich bin für dich da , und: Wir sind immer noch zusammen .
Bei Tagesanbruch konnte Perry die Gerüche, die an ihnen hafteten, nicht länger ignorieren. Ihre Kleider und ihre Haut waren verkrustet mit Blut und Asche. Der Rauch des Äthersturms
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