Gebannt - Unter Fremdem Himmel
ist mit einem Fluch behaftet. Es bringt Unglück.«
»Ein Fluch? Das hört sich schrecklich altmodisch an. Wie etwas aus dem Mittelalter.«
»Ist es aber nicht«, erwiderte er, bemüht, die Schärfe aus seiner Stimme herauszuhalten.
Aria dachte einen Moment nach und schob dann ihr kleines Kinn vor. »Und was ist mit dir? Du hast zwei extreme Sinne. War deine Mutter eine Witterin?«
»Nein. Aber darüber will ich nicht reden, Aria.«
»Ich eigentlich auch nicht.«
Sie verfielen in Schweigen. Perry hätte sie liebend gern berührt: Er wollte das fühlen, was er am Tag zuvor gefühlt hatte, als sie seine Hand gehalten hatte. Aber ihre Stimmung war gedrückt, kühl wie die Nacht.
Endlich räusperte sie sich und fragte: »Perry, was würde ich jetzt riechen, wenn ich eine Witterin wäre?«
Perry schloss die Augen. Wenn er jetzt ihre Unterschiede beschrieb, würde das sie ihm nicht näherbringen. Die Antwort zu verweigern, aber auch nicht. Er atmete ein und erzählte ihr dann, was seine Nase ihm sagte: »Da sind Spuren der Wölfe in der Luft. Und die Gerüche des Baums haben eine winterliche Note.«
»Die Bäume haben einen Wintergeruch?«, hakte sie nach.
»Ja. Die Bäume wissen als Erste, wie das Wetter wird«, erklärte er und bereute seine Worte bereits.
Aria biss sich auf die Lippe. »Was noch?«, fragte sie leichthin, doch er spürte, wie sehr es sie traf – all die Dinge, die er wusste und sie nicht.
»Da sind Baumharz und Rost auf den Eisennägeln. Ich rieche die Überreste eines Feuers, wahrscheinlich schon Monate alt, aber die Asche ist anders als die von gestern … die, die Cinder hinterlassen hat. Diese hier ist trocken und hat ein feines Salzaroma.«
»Und die von gestern?«, fragte sie leise. »Wonach hat diese Asche gerochen?«
Er musterte sie und sagte dann: »Blau. Leer.« Sie nickte, als hätte sie begriffen, doch das konnte sie nicht. »Aria, das ist keine gute Idee.«
»Bitte, Perry. Ich will wissen, wie das für dich ist.«
Plötzlich hatte er einen Kloß im Hals und musste sich räuspern. »Dieses Baumhaus hat einer Familie gehört. Ich habe Spuren eines Mannes und einer Frau gerochen. Und einen Grünschnabel …«
»Was ist denn ein Grünschnabel?«
»Ein Junge an der Schwelle zum Mannesalter. So wie Cinder. Sie verströmen einen Geruch, den man nicht ignorieren kann, wenn du verstehst, was ich meine.«
Aria lächelte. »Wäre das dann auch dein Geruch?«
Perry legte sich die Hand auf das Herz und tat so, als wäre er schwer getroffen. »Das hat wehgetan.« Dann grinste er. »Ja, ganz ohne Zweifel. Für einen anderen Witterer muss mein Verlangen fast wie ein Stinktier riechen.«
Sie lachte und neigte den Kopf zur Seite. Dabei umspielten ihre schwarzen Haare ihre Schultern. Und die nächtliche Kälte löste sich in nichts auf.
»Das alles würde ich wissen, wenn ich eine Witterin wäre?«, erkundigte sie sich.
»Das und noch mehr.« Perry holte tief Luft. »Dann hättest du eine ziemlich gute Vorstellung davon, was ich in diesem Moment möchte.«
»Und das wäre?«
»Dich, näher bei mir.«
»Wie nah?«
Er hob die Ecke seiner Decke an.
Sie überraschte ihn, indem sie die Arme um seine Hüfte schlang und ihn umfasste. Perry schaute auf ihren dunklen Schopf, während sie ihr Gesicht an seiner Brust vergrub. Etwas Schweres und Kaltes tief in seinem Innern wurde plötzlich hell und leicht. Eine Umarmung war zwar nicht das, was er sich vorgestellt hatte, aber vielleicht war das ja sogar noch besser. Es hätte ihn nicht überrascht, wenn sie besser als er selbst wusste, was gut für ihn war.
Nach einer Weile zog sie sich zurück. Tränen standen ihr in den Augen. Sie war so nah, dass ihr Geruch ihn durchdrang, ihn erfüllte. Plötzlich bekam auch er feuchte Augen.
»Ich weiß, dass uns nur wenig Zeit bleibt, Perry. Ich weiß, dass es enden wird.«
In diesem Moment küsste er sie, öffnete ihre weichen Lippen. Sie schmeckte vollkommen, wie frischer Regen. Sein Kuss wurde verlangender, während seine Hände sie suchten, sie näher an sich zogen. Dann aber löste sie sich aus seiner Umarmung und lächelte ihn an. Wortlos küsste sie zuerst seinen Nasenrücken, dann seine Mundwinkel und schließlich eine Stelle an seinem Kinn. Als sie den Saum seines Hemdes hochzog, blieb ihm fast das Herz stehen. Er half ihr, indem er sich das Hemd über den Kopf zerrte. Ihr Blick wanderte über seine Brust, und dann strichen ihre Finger sanft über seine Tätowierungen. Es gelang ihm nicht,
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